Frösche: Roman (German Edition)
endlich seinen Deckel gefunden. Außerdem haben Liebesdinge nichts mit Kameradschaft oder Männerfreundschaften und derlei Werten zu tun. In dieser Beziehung solltest du ausschließlich eigennützig vorgehen. Wäre Kleiner Löwe ein Pferd, das Wang Leber gefällt, könntest du es ihm ja überlassen. Sie ist aber ein Mensch, in den du dich verliebt hast. Da musst du kämpfen, auch wenn du sie dir mit Gewalt holen musst. Mein Junge, du schlägst dich da draußen seit Jahren durchs Leben, hast ausländische Filme ohne Ende gesehen und bist immer noch so borniert, dass du es nicht hinkriegst, so etwas locker anzugehen?«
»Selbst wenn ich mich einverstanden erklärte, aber Kleiner Löwe – was ist, wenn sie ...«
Gugu unterbrach mich sofort: »Da mach dir da mal keine Sorgen! Ich kenne sie. Nach so vielen Jahren, wie wir beide schon zusammen sind! Ich lese aus ihr wie aus einem offenen Buch. Ich sag dir jetzt mal die ganze Wahrheit: Sie liebt nur dich ! Wäre Wang Renmei nicht abgetreten, bliebe sie für den Rest ihres Lebens solo.«
»Tante, lass es mich noch einige Tage überdenken«, sagte ich nur, »die Erde auf Renmeis Grab ist noch frisch.«
»Was gibt es da zu überdenken? Schieb es nicht auf die lange Bank! Wenn Renmei jetzt im Himmel ist und auf uns herabschaut, wird sie in die Hände klatschen und es gutheißen. Und warum? Weil Kleiner Löwe ein gutes Herz hat. Bekommt ihre Tochter eine solche Stiefmutter, hat sie Glück! Außerdem kannst du nach den Richtlinien unserer Politik mit diesem Mädchen ein Kind zeugen. Ich wünsche mir für euch, dass ihr Zwillinge bekommt. Renner, mach aus Gift Medizin, du kannst noch alles Unglück in Glück verwandeln. 11
5
Der Hochzeitstag wurde festgesetzt.
Alles wurde nach Gugus Vorstellungen abgewickelt. Ich fühlte mich wie ein fauliges Stück Holz, das auf dem Wasser treibt. Ein Schubs und ich bewegte mich.
Mit dem Gang zur Amtsstube der Kommune, um die Heirat eintragen zu lassen und die Heiratsurkunde zu beantragen, unternahmen Kleiner Löwe und ich zum zweiten Mal etwas allein.
Beim ersten Mal hatten wir uns im Wohnheim getroffen. Auch das war ein Sonnabendvormittag gewesen.
Gugu hatte uns ins Zimmer geschoben, die Tür geschlossen und war weggegangen. Im Zimmer gab es zwei Betten, zwischen den Betten ein Nachtschränkchen mit drei Schubladen, worauf sich völlig verstaubte Zeitungen und ein paar Bücher über Frauenheilkunde türmten. Vor dem Fenster sah man ein paar prächtige Sonnenblumen. Sie standen in voller Blüte, Bienen hatten sich darauf niedergelassen und sammelten fleißig Nektar. Kleiner Löwe hatte mir ein Glas Wasser eingegossen und sich dann auf die Kante ihres Bettes gesetzt. Ich saß auf Gugus Bettkante. Im Zimmer roch es nach parfümierter Seife. Die Waschschüssel auf dem Ständer Marke Red Lantern war noch halbvoll mit Seifenwasser, Gugus Bett war unordentlich, die Decke nicht zusammengelegt.
»Gugu ist wohl überstürzt zur Arbeit los?«
»Ja.«
»Es kommt mir vor wie ein Traum.«
»Mir geht es genauso.«
»Weißt du, was mit Leber ist? Der hat dir fast sechshundert Briefe geschrieben.«
»Das hat Gugu mir mal gesagt.«
»Was denkst du darüber?«
»Weiß nicht.«
»Ich war schon mal verheiratet. Eine kleine Tochter habe ich auch. Ist dir das nicht unangenehm?«
»Nein.«
»Sprich doch erst mal mit deiner Familie darüber!«
»Ich habe keine Familie.«
Ich brachte sie mit dem Fahrrad zur Kommuneverwaltung. Die Straße war gerade mit Ziegelschotter ausgebessert worden, das Fahrrad ruckelte hin und her; es war schwer, die Spur zu halten. Sie saß auf dem Gepäckträger, die Schulter an meinen Rücken gelehnt. Ich spürte ihr Gewicht.
Es gibt Leute, die lassen sich prima auf dem Gepäckträger mitnehmen, bei anderen ist es furchtbar anstrengend. Wang Renmei gehörte zu der ersten, Kleiner Löwe zur zweiten Sorte.
Ich mühte mich ab und trat mit aller Kraft in die Pedalen. Dann riss die Kette. Ich bekam einen Wahnsinnsschreck, denn ich dachte sofort: Ein schlechtes Omen! Würde ich auch mit ihr nicht immer zusammenbleiben und würde unsere Beziehung unglücklich zerreißen? Wie eine Schlange lag die Kette auf der Erde. Ich klaubte sie auf und blickte mich hilfesuchend um.
Zu beiden Seiten der Straße wuchs Mais, ein paar Frauen waren damit beschäftigt, die Pflanzen mit einem Insektenschutzmittel zu besprühen. Die Spritzflaschen machten beim Pumpen laute Geräusche, es hörte sich an wie Fliegeralarm. Die Frauen hatten eine
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