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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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erzitterte zum zweiten Mal an diesem Tag.
    Das Radio wurde abgeschaltet. Die Tür öffnete sich, und der Hof wurde noch heller. Tommys Mutter stand wie ein Schatten da. »Was war denn das?«
    »Komet«, sagte Tommy.
    »Unsinn.« Tommys Mutter schloß die Tür wieder und das Krächzen des Radios begann erneut. Sie drehte daran herum und brachte das Gerät kurz zum Jaulen, als sie ein Nachrichtenprogramm suchte. Noch ein paar Leute kamen aus ihren Häusern und blickten die Straße hinunter. Tommy stand auf, wischte sich Gras und Staub von den Kleidern und ging quer über den Hof.
    »John Thomas!« rief seine Mutter durchs Fenster. »Wohin gehst du?«
    »Ich will sehen, wo der Komet gelandet ist.«
    »Das wirst du nicht! Und jetzt komm rein!«
    Tommy schaute die Straße genauso sehnsuchtsvoll hinunter wie die Nachbarn und schlurfte dann ins Haus. Seine Mutter saß auf der Kante der hellbraunen Couch und hielt ihr Ohr beim Verstellen des Senderknopfes nah ans Radio. Ihre Hände zitterten leicht und sie sah ihn nicht an.
    »Wasch dich, bevor du ins Bett gehst«, sagte sie.
    »Ja, gnädige Frau.« Tommy fragte sich einen Augenblick lang, ob sie es wohl bemerken würde, wenn er wieder hinausging, entschied sich aber dagegen. Er zupfte eine Nadel aus dem Weihnachtsbaum, den sie am 21. aufgestellt hatten und ging zu Bett.
    Am nächsten Morgen weckte ihn eine Autohupe aus seinen Träumen von weißem Licht und Skeletten. Die bloßen Füße seiner Mutter klatschten auf dem Fußboden und die Tür schlug beim Offnen gegen die Wand. »Meine Güte!« rief seine Mutter, und Tommy konnte nicht sagen, ob ihre Stimme freudig oder ärgerlich klang. Er rollte sich von dem Feldbett, das er benützte, und nahm seinen Bademantel vom Stuhl neben seinem Schreibtisch. Er sah aus dem Fenster, konnte aber nur Wüste und Gestrüpp erkennen.
    Ihr Haus stand am hinteren Rand einer neuen Siedlung. Draußen vor Tommys Fenster begann die Wildnis, flach, leicht hügelig und braun. Im Hintergrund erhoben sich geisterhaft fern die Berge.
    Die Stimme seiner Mutter erklang, dann eine Männerstimme und schließlich eine weitere, die der seines Vaters so ähnlich klang, daß Tommy seine Schlafzimmertür aufriß und beinahe den Weihnachtsbaum umgerannt hätte, als er ins Wohnzimmer stürmte. Die Vordertür stand offen, und er konnte einen Armee-Jeep erkennen, der schräg in den Rasen geparkt war. Seine Mutter hatte den Arm um einen schlanken, uniformierten Mann gelegt – seinen Vater – und ein anderer Mann hob einen Seesack vom Rücksitz. Die Haut seines Vaters war gerötet und seine Augen verrieten Schmerzen. Er fuhr mit der Hand durch Tommys Haar, als Mutter ihn ins Schlafzimmer führte, und Tommy glaubte, so was wie einen Ausschlag auf Vaters Händen zu entdecken. Der andere Mann blieb an der Tür stehen, bis Tommy ihm einen Platz anbot.
    Seine Mutter erschien einen Augenblick später auch wieder, ihr Haar verwirrt und der Mund schmal und hart. »Tommy, geh zurück ins Bett!«
    »Aber Pappi …«
    »Muß auch schlafen. Du kannst mit ihm sprechen, wenn er aufsteht.«
    Tommy lief über den Flur und versuchte, einen Blick ins Schlafzimmer seiner Eltern zu erhaschen, aber die Tür war geschlossen. Seine Mutter würde hören, wenn er sie öffnete – das Haus war ausgesprochen hellhörig – und sie schien so besorgt, daß Tommy fürchtete, strenger als durch eine ihrer üblichen Schimpfkanonaden bestraft zu werden. Er schloß seine Tür, setzte sich auf die Kante des Feldbetts und lauschte.
    Der andere Mann sprach. Er hatte einen eigenartigen Akzent. »…war in geheimer Mission gestern morgen im Nordosten von Las Vegas unterwegs und gestern nachmittag wurde Ihr Mann krank. Er ging zum Arzt der Basis, und der riet ihm, zwei Wochen lang auszuruhen. Also bekam ich den Auftrag, ihn heimzubringen. Es waren ja nur ein paar Stunden Fahrt.«
    »Bleiben Sie über Weihnachten bei uns?«
    »Ich muß morgen abend zurück sein.«
    »Dann werden wir eben das Weihnachtsessen früher servieren«, sagte Tommys Mutter. Die Entscheidung war gefallen.
     
    Thomas stand von seinem Hocker auf, ging zu seinem Platz an der Tafel, nahm sein Glas und trank einen Schluck Wasser. Die Flüssigkeit rann kühl seine Kehle hinunter. In Jessicas Augen standen Tränen. Der Präsident hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, die Hände über dem Bauch gefaltet. Er blickte aufmerksam drein. Der ganze Saal wartete schweigend darauf, daß Thomas fortfuhr. Er nahm sein Glas Wasser mit, als er

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