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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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sich zum Hocker zurückbegab.
     
    Diesen Nachmittag bemühte sich Thomas, im Hof mit einem Basketball zu spielen und ihn vor allem beim Führen aufprallen zu lassen. Es war ihm schon früher mißlungen – der Ball sprang gewöhnlich von einem Felsen in jede andere als die gewünschte Richtung zurück. Eigentlich wollte er gar nicht spielen, aber er wollte auch nicht im Haus bleiben. Sein Vater stöhnte vor Schmerzen, und seine Mutter machte ihm Soda-Kompressen. Der Mann von der Armee trank am Küchentisch Kaffee und las Zeitung. Gelegentlich spielte er am Radio herum, um festzustellen, ob er irgendein interessantes Programm hereinbekommen konnte. Tommy war dem Ball hinterhergelaufen bis zu einem kleinen Gehölz von sterbenden Bäumen, die seine Mutter noch gepflanzt hatte, als ein Menschending daraus hervortrat. Menschending nannte Tommy es später, als er Gelegenheit zum Nachdenken hatte. Was er sah, war ein dünnes zweibeiniges Geschöpf mit tiefschwarzen Mandelaugen und einen empfindsamen Mund. Das Menschending berührte sein Gesicht mit langen Fingern und er fühlte den Seufzer mehr als er ihn hörte: sicher.
    Zwei weitere Menschendinger kamen zwischen den Bäumen hervor und gesellten sich zu ihnen. Sie trugen kleine Säcke und sie verbeugten sich tief vor ihm.
    Kein Licht.
    Die Konzepte kamen als Bilder, nicht als Worte, und zusammen mit den Bildern empfand er Bruchstücke von anderen Gedanken, anderen Orten. Tommy war zu jung, um das Phantastische in Frage zu stellen; er akzeptierte, daß diese Menschendinger anders waren als er und daß sie irgendwie mit dem Licht zu tun hatten, das er im Osten gesehen hatte.
    »In meinem Haus ist Schatten«, sagte er und führte sie hinein. Der Soldat hatte die Küche verlassen. Im Wohnzimmer raschelten Papiere, begleitet vom Geleier eines Rundfunksprechers. Tommy ging hinüber zum Schrank und nahm Gläser heraus, um ihnen nach ihrem langen Marsch Wasser anzubieten.
    Eines der Menschendinger erhob den Kopf und schnüffelte.
    Krankheit.
    Es ging den Flur entlang, von den anderen beiden gefolgt. Tommy rannte hinterher. Der Soldat saß hinter seiner Zeitung; er bemerkte nichts. Aber Tommys Mutter schrie, als das Menschending die Schlafzimmertür aufmachte. Das Menschending schob sie sanft zur Seite und betrachtete Tommys Vater, der auf dem Bett von Schüttelfrost gepeinigt wurde. Eines der anderen Menschendinger gab dem ersten einen Sack. Das öffnete den Sack.
    »Was tust du da?« schrie Tommys Mutter und versuchte, sie wegzudrängen, aber das Menschending versperrte ihr den Weg. Sie nahmen eine durchsichtige Kugel heraus, die nach Weihrauch duftete – einem Geruch, den Tommy erst sechzehn Jahre später identifizieren konnte. Tommys Mutter rief nach dem Soldaten. Als der kam, hatte das Menschending bereits eine klare Flüssigkeit auf der Haut von Tommys Vater verteilt.
    Der Soldat packte eines der Menschendinger am Arm und schleuderte es gegen die Wand. Es brach zusammen, offensichtlich momentan betäubt, schüttelte sich dann aber und stand wieder auf.
    Unsicher. Unsicher.
    Tommy faßte seine Mutter am Ärmel und sie schloß die Arme um ihn und drückte ihn an sich. Der Soldat zog eine Pistole und trieb die Menschendinger damit in Tommys Zimmer. Er spreizte die Beine wie John Wayne und hielt die Pistole fest in der Hand, jederzeit bereit, zu schießen.
    »Holen Sie Hilfe!« sagte er zu Tommys Mutter.
    Tommys Vater hatte aufgehört zu zittern. Tommy wollte zu ihm hingehen, aber seine Mutter drückte ihn zu fest an sich. »Komm mit, Tommy!« sagte sie und führte ihn zu dem Rambler.
    Sie fuhren zu den Kasernen außerhalb der Stadt, wo Tommy und seine Familie gewohnt hatten, bis die Basis erweitert wurde und sie ein richtiges Haus beziehen konnten. Tommys Mutter ließ ihn im Auto sitzen, während sie ins Hauptgebäude eilte. Sie erschien mit einem Oberst wieder, der Befehle brüllend die Hauptstraße hinunterlief. Tommys Mutter stieg wieder in den Rambler und fuhr nach Hause zurück. Tommy drehte sich auf dem Rücksitz um und sah, daß fünf Armeelastwagen – mit Soldaten gefüllt – hinter ihnen herkamen. Staub erhob sich wie der Nebel um das Licht, das Tommy am Abend zuvor gesehen hatte, und er staunte darüber, welche Bilder gleichzeitig in seinem Hirn erschienen: die Menschendinger schlugen auf eigenartige, flache Ausrüstungsgegenstände, verängstigt, weil nichts mehr funktionierte; ein Drehen und Drehen bis zum Boden und durch alles hindurch die Atombombe,

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