Frohes Fest!
schwärmerisch. »Die große Ammoniakbowle, ›Großvater-am-Schnabel-ziehen‹, Bockspringen und wie die Spiele alle hießen, und die knusprigen, zerkleinerten Steinchen, die auf riesigen Tellern von kleinen, verbitterten Erdensklaven herumgereicht wurden … ja – äh – entschuldigt bitte, aber so war das eben in meiner Kinderheit, bis zum großen Planetenwechsel, als die Erde mit 51 gegen 49 Stimmen galaktische Mitbürgerrechte erlangte.«
»Weihnachten«, sagten die beiden Terries befremdet. »Ihr hattet doch gar keine Religion, das weiß doch jeder!«
»Eine Religion hatten wir vielleicht nicht«, gab der Kapitän zu, »aber Weihnachten hatten wir. Fast ohne Unterbrechung feierten wir Weihnachten. Wenn wir nicht gerade ›Heute ist Weihnacht‹ sangen, dann sagen wir ein Lied, das ›Neulich war Weihnacht‹ hieß, oder ein anderes, das mit ›Bald ist Weihnacht‹ anfing, so daß wir mehr oder weniger das ganze Jahr Weihnachtslieder sangen. Das hatte nichts mit Religion zu tun. Religion und einander an Holzpfähle nageln, das ist eher was für Terries. Nein, wir haben schon immer Weihnachten gehabt.«
»Reden wir eigentlich von der gleichen Sache?« brummelte Mars, der auf dem Boden lag und sich entspannte, um Kräfte für das nächste Handgemenge zu sammeln.
Selbstverständlich. Selbstverständlich nicht. Die beiden Erdgeborenen redeten im Gleichklang und sahen wütend in die Runde, denn sie meinten die gleiche Sache. Sie provozierten die anderen Besatzungsmitglieder mit ihrem Gerede über ihr einzigartiges, unverwechselbares und nerviges Weihnachten.
Weihnachten? Jetzt sahen sie schon wohlwollender einander an. In ihrem unbeschreiblichen Zustand der Außerzeitlichkeit, des Außenvorseins – denn ihre Art zu reisen, wie ein Kurzschluß im galaktischen System, war immer noch eine Tatsache ohne zufriedenstellende Erklärung, genauso unerklärlich wie es einst für ihre Vorväter gewesen war, sich des Feuers zu bedienen oder ein ebenso unerklärlicher wie begrenzter Zustand wie das Leben selbst – in diesem Zustand also erlebten sie ein plötzliches Weihnachten, eine Verwandlung der angetrockneten Erinnerung in warme, fließende Gedankenfluten, bruchstückhafte Erinnerungsfetzen, Erwartungen, Stillstehende Zeit, der Geruch frischen Plastiks und das Gerassel der auf den Festtag programmierten Heimcomputer, der Glanz in den Augen der Roboter, der Klang festlicher Moogorgeln, die auf Fließbändern stehend ›Stille Nacht‹ röhrten, während die Weihnachtsmannhologramme im Schneefall der unendlichen dreidimensionalen Fenster tanzten. Und die Großmutter, rekonstruiert aus dem Ahnengedächtnis der Friedhofs-Erinnerungsarchive, kam und polterte in ihrem etwas angeschlagenen Glanz und ihrer Güte an die Haustür, hundert Male durchstochen von den armseligen Lasermessern der Mörderbande …
Weihnachten! Wie ein Seufzer aus den Brutschränken der Kindheit!
Ihre Erinnerung wurde von Venus unterbrochen, die mittlerweile dazu übergegangen war, eine andere Schuppe auf Hochglanz zu polieren. Sie bemühte sich, unbeteiligt auszusehen. Aber die anderen wußten ja kraft ihres geschwindigkeitsbeschleunigenden telepathischen Bewußtseins, daß auch Venus schon seit Tagen einen unbestimmten Traum von einem Fest jenseits allen Verstandes, von einer Ankunft hatte.
»Es kann ja doch wohl nur ein Weihnachten geben«, sagte sie ungehalten. »Wie auch immer wir es übersetzen.«
Der Kapitän sah sich um und fuchtelte ungeduldig mit den Fingern, als ob er tatsächlich dabei wäre, sein Weihnachtspaket mit den Anweisungen zu öffnen.
»Mars, Alfie?« rief er. »Wo seid ihr denn? Wir müssen das hier durchsprechen, bevor wir verrückt werden. Was können wir tun, wenn wir den Weihnachtsasteroiden erreicht haben? Wofür soll der eigentlich gut sein?«
»Den Raumschiff Computer fragen«, meinte Terry I.
»Unter Hyperdrive, mit allen Normalfunktionen außer Betrieb?« fragte der Kapitän ungläubig und sah ihn groß an. »Heraus damit, Venus, habt ihr Weihnachten auf eurem alten Sumpfplaneten gefeiert?«
Venus stemmte die sorgfältig gepflegten Flossen in die Hüften und sah ihn beleidigt an. »Sumpf ist sowohl gut als auch schön, Kapitän. Ich bin diese Miesmacher bald leid. Und selbstverständlich feierten wir Weihnachten. Wenn es am wenigsten warm war, einmal im Jahr. Dann wechselten wir den Lehm in den Gruben und kringelten uns so richtig darin. Und dann kam natürlich noch der Höhepunkt für die
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