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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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war es ein kleines braunes Kuvert?«
    »Ja«, sagte der Kapitän und versuchte, seine Ungeduld zu zügeln. Das dritte Auge, das in der Mitte, war ein geschliffener Diamant. Damit warf er manchmal einen Blick in sich selbst.
    »Ein kleines, braunes Kuvert mit Instruktionskassetten?« fragten Terry I und Terry II im Chor, eine Unsitte, die die beiden sich nicht abgewöhnen konnten. »Und stand nicht auf dem Kuvert: ›Streng vertraulich. Nicht öffnen, bevor das Raumschiff Instrumentkontakt mit dem Ziel hat‹?«
    »Ja, und nochmals ja!« antwortete der Kapitän. »Wo ist es?«
    »Das Ziel? Aber das stand doch in einer der Kassetten, die in dem Kuvert lagen?« gab Terry II zur Antwort und entdeckte, daß sie sich in ein metaphysisches Dilemma verstrickt hatten. Er stotterte vor Entzücken: »Und wie soll der Kapitän nun wissen, daß wir Instrumentkontakt mit dem Ziel haben, wenn wir doch gar nicht wissen, was das für ein Ziel ist, bevor wir Instrumentkontakt damit haben? Entweder müssen wir die Fahrt abbrechen oder mit dem Befehl brechen.«
    »Im Notfall brechen wir einfach das Kuvert auf«, mischte sich Terry II ein.
    »Aber wir brechen mit dem Befehl, wenn wir das Kuvert aufbrechen!« erwiderte Terry I. Er und Millionen anderer Terries waren bekannt dafür, zu den schlimmsten Wortverdrehern und Ober-Metaphysikern der Galaxis zu gehören.
    Der Kapitän stellte die Ordnung mit ein paar gezielten Callisto-Fußtritten wieder her und sagte leise, fast keuchend: »Ich bin auf dieses Kuvert angewiesen. Wo hat es gelegen, wo liegt es jetzt?«
    »O ja, dann verstehen wir genau«, sagten die beiden Terries und zwinkerten sich zu. Sie bekamen daraufhin einen Schnabelhieb.
    »Jetzt aber her mit dem Kuvert!« forderte der Kapitän.
    »Irgendwo im kosmischen Windschatten von Saturn, Kapitän!« sagte Terry I.
    »Es ging mit, als wir die Papierkörbe leerten«, pflichtete Terry II bei.
    »Beim nächsten Mal fliegt ihr beide mit raus! Jetzt aber plötzlich, wenn ich bitten darf! Ab durch die Luftschleuse, zusammen mit dem anderen Abfall!« rief der Kapitän wütend.
    Venus, die nach ihrem Heimatplaneten benannt war, hauchte auf eine ihrer blankpolierten Schuppen, deren Glanz sie anhand einer Handvoll Putzwolle noch stärker herauszustellen versuchte. Nachdenklich sagte sie: »So so, dann wissen wir gar nicht, wohin wir sollen, Kapitän?«
    Der Kapitän seufzte in seinen Schnabel hinein und sah sich gezwungen, Farbe zu bekennen. »Doch sicher«, sagte er, »ich hörte Gerüchte, daß wir zu einem kleinen Asteroiden am Rande des Imperiums abkommandiert sind. An und für sich werden wir uns natürlich dorthin begeben, denn der Kurs ist schon im voraus programmiert. Das Problem ist nur, daß ich keine Ahnung habe, was wir machen sollen, wenn wir dort ankommen.«
    »Und wie heißt der Asteroid?« wollten Terry I und Terry II wissen.
    »Weihnachten. Es ist ein Weihnachtsasteroid – der letzte dieser Art, wird behauptet«, erklärte der Kapitän.
    »Eine Wein-Nacht auf einem Asteroiden?« fragte Terry I verwundert. Es sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß man sich auf der lingua franca der Galaxie, auf »imperiolingisch« unterhielt, und daß alle dummen Witze, die in vorliegender Übersetzung vorkommen, im Original noch schlechter waren.
    »Nein«, sagte der Kapitän, »Weihnachten. Wie Heiligabend. Feiert ihr auf der Erde denn keinen Heiligabend?« Er kicherte. »Heiligabend auf der Erde. Das klingt ohne Zweifel grotesk. Wer kann sich schon ein anständiges Weihnachten ohne Jupiter vorstellen?«
    »Aber wir haben schließlich damit angefangen«, protestierte Terry I.
    Niemand an Bord kümmerte sich darum, wie er wirklich hieß, oder vielleicht konnte niemand seinen Namen korrekt aussprechen außer er selbst, und Terry II, der ja auch darauf bestehen könnte, bei seinem richtigen Namen genannt zu werden, welcher sicher mindestens genauso schwer auszusprechen war. Deshalb hielten sich beide an die allgemeine Gattungsbezeichnung. Allerdings beharrten sie ganz energisch auf der Einzigartigkeit ihres irdischen Weihnachtsfestes.
    »Weihnachten auf Jupiter klingt mindestens genauso albern«, meinte Terry I. »Ja, fast absurd«, stimmte Terry II zu.
    »Erstens«, erwiderte der Kapitän, »komme ich, wie bekannt ist, nicht vom Jupiter, sondern von einem seiner Monde, von Callisto, und dort hatten wir für unseren Teil immer sehr angenehme Weihnachten. Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen«, sagte er

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