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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Arnold Gillespie, Maske von Jack Dawn«, sagte Kaspar nachdenklich.
    »Hör zu, du gelbe Gefahr!« entgegnete Balthasar. »Du kannst deine eingerostete Erinnerung für Trivialitäten später aufpolieren. Falls es dir noch nicht klar sein sollte, dies bedeutet, sie wissen, daß wir kommen, und sie werden darauf vorbereitet sein. Wir haben den Überraschungseffekt eingebüßt.«
    Melchior seufzte und fügte hinzu: »Ohne erst groß zu tönen, daß wir dem Stern jetzt schon seit eintausendneunhundertneunundneunzig Jahren gefolgt sind, plus minus ein paar Minütchen, haben wir sie, da sie nicht die Schlauesten sind, schon einige Male wieder abhängen können.«
    »Wie auch immer«, erklärte Kaspar und, fasziniert von dem Ausdruck, wiederholte er ihn: »Wie auch immer …«
    Sie warteten, aber er beendete den Satz nicht.
    »Und mit diesem bedeutenden Hinweis«, schlug Balthasar vor, »machen wir uns besser aus dem Staub, bevor sie uns hier im freien Gelände erwischen.«
    Also suchten sie ihre Habseligkeiten zusammen – Melchiors Kästchen mit den Krügerrand-Münzen, seine Luftmatratze und das aufblasbare Fernsehgerät; Kaspars Behälter mit Myrrhe, seine Judy Garland LP’s und das Schreibzeug zur Beschriftung von Zettelchen für Glücksplätzchen; Balthasars Kochschüssel, seine in Messing gebundene Ausgabe der Werke James Baldwins und die Gerätschaften zum Glätten der Haare – und verstauten sie im Kofferraum des Rolls Royce.
    Dann, mit Balthasar am Steuer (er weigerte sich wieder aus moralischen Gründen, die Chauffeursmütze zu tragen), fuhren sie unter der Schirmherrschaft der Servolenkung direkt über die Grenze des Traums.
    Der Stern über ihren Köpfen schien weiter. »Das verdammteste Ding, das ich je gesehen habe«, bemerkte Kaspar zum zehntausendsten Mal. »Bricht all die anerkannten Gesetze der Himmelsmechanik.«
    Balthasar murmelte etwas.
    Zum zehntausendsten Mal.
    »Wie war das? Ich habe es nicht verstanden.«
    »Ich sagte: Wenn wenigstens ein Topf voll Gold am Ende all dessen warten würde …«
    Es war seiner nicht würdig, wie schon zehntausendmal davor nicht, und die anderen beschlossen, es zu ignorieren.
    In den Vororten des Traums kamen sie in ein heruntergekommenes Viertel mit Imbißbuden, Motels mit Wasserbetten und privaten Kabelfernsehen, Bowlingbahnen, polnischen Sportvereinen und überfüllten Rikschaabstellplätzen, wo sie sich der ersten Verteidigungslinie der Mächte des Chaos näherten.
    Als sie vor einer roten Ampel anhalten mußten, kamen Tausende der fledermausflügelbewehrten, affengesichtigen Wesen mit Eimern voll Wasser und Schwämmen aus Seitenstraßen und Hauseingängen und begannen ihre Windschutzscheibe zu putzen.
    »Schnell, Kaspar!« rief Balthasar.
    Der König des Morgenlandes riß die hintere, rechte Tür auf, sprang auf die Straße und schwang sein Gefäß mit Myrrhe. »Zurück, zurück, ihr Ausgeburt der Hölle!« schrie er.
    Die Truppen des Chaos heulten in Schrecken und Schmerz auf und brachen, so wie es aussah, tot zusammen. Es erhob sich ein Wehklagen, Schreien und ein Geheul, das über dem Traum aufstieg, wie schwarzer Rauch.
    »Bitte, mach schon!« rief Melchior. »Ist dieser Krach wirklich nötig? Das ganze yelling! Ihr werdet das Baby aufwecken!«
    Dann brachte Balthasar den Motor auf Touren, Kaspar ließ sich wieder auf den Rücksitz plumpsen, und schon waren sie weg; über die rote Ampel – die natürlich präpariert war, immer Rot zu zeigen, wie alle roten Ampeln von den Mächten des Chaos präpariert sind. Den ganzen Tag belagerten sie den Traum.
    Der Automobilclub sagte ihnen, daß sie von hier aus nicht zu ihrem Ziel kommen könnten. Die Geschwindigkeitsfallen waren auf 15 Kilometer pro Stunde justiert. Fanatiker von religiösen Sekten warfen sich unter die Stahlgürtelreifen. Doch schließlich erreichten sie das Hotel ›Zur Krippe‹, ein Unternehmen der Hyatt-Gruppe, und erkämpften sich ihren Weg nach innen mit geschmackvollen Geschenken.
    Und dort, in einem preiswerten Zimmer, fanden sie den Erlöser. Um ihn versammelt waren: ein arbeitsloser Kunsttischler, eine Dame, die offensichtlich ziemlich verstört war und darauf bestand, von einem Gott vergewaltigt worden zu sein, einige Schafhirten, Metzger, Tierhandlungsangestellte, Boutiqueverkäuferinnen, ein staatlich geprüfter Buchhalter mit dem denkwürdigen Namen Bre-D, Hausierer, Revolverjournalisten, Schaulustige, Sammy Davis jr. und ein Mann der einen Hund besaß, von dem gesagt wurde, daß er

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