Frohes Fest!
und nagelten ihn an ein Holzkreuz. Dann stachen sie mit ihren Speeren ein paar Mal in den Sack, um ihn zu blenden.
Als sie schließlich Nik tot herunterholten, steckten sie seine Leiche in den Sack, banden ihn fest zu und versiegelten ihn offiziell. Sie berieten, ob sie ihn in den nahen Fluß werfen sollten, aber ihr Hauptmann erlaubte dann doch Niks Freunden, ihn zu einer Gruft mitzunehmen.
In dieser Nacht wurde die Gruft aufgebrochen, denn die Räuber hofften, den Zaubersack stehlen zu können … aber sie fanden ihn leer vor! Es war, als habe dieser Jutesack Nikolaus verdaut! Als ob er ihn in jene Dimension entführt habe, aus der all diese Geschenke kamen.
Die Räuber wurden alle von dem Wunder geläutert und wollten nie wieder stehlen. Ja, sie schlossen sogar einen Pakt, daß sie in aller Welt von Nik berichten und als Beweis den Sack (oder Stückchen davon) überall mitnehmen wollten. Der Sack wurde zuerst nach Rom gebracht und später dann nach Turin, wo der größte Teil davon noch bis heute verblieben ist.
Später versprachen die Nachkommen der ursprünglichen Räuber, daß eines Tages, wenn alle Welt von Nik gehört und ihn ins Herz geschlossen hatte, der Sack wieder beginnen würde, Geschenke zu verteilen. Deshalb bekommen wir alle zu Ostern Geschenke, die in Sackleinen eingepackt sind, zum Andenken an Nik. Jesus? Oh ja, ich komme schon zu ihm. Natürlich, Jamie! Heute abend ist Jesus wichtig.
Jesus war der Anführer der Räuber, die in Niks Gruft eingebrochen waren. (Es gibt da eine gewisse Symmetrie zwischen Geschenken und Diebstählen, nicht wahr? Diebstahl ist das Produkt einer Gesellschaft, in der nicht genügend Geschenke im Umlauf sind – oder wo es zu viele Geschenke für zu wenige Leute gibt. Was das heißt? Sym-met-risch. Es heißt … ach, es ist nicht so wichtig, Jamie, mein Spatz. Ehrlich!)
Jesus war der Ex-Dieb, der den Sack nach Rom trug, wo der hysterische, gierige Kaiser wohnte, von seinen Soldaten mit ihren Speeren bewacht.
Als Jesus in Rom ankam, ging er geradewegs zum Forum. Das ist eine Art Treffpunkt, wie ein Senat, aber für die einfachen Leute.
Jesus stellte sich auf einen Marmorblock und hielt den leeren Sack hoch und rief den Leuten zu – mit Hilfe eines Dolmetschers, der alles aus dem Aramäischen in Latein übersetzte: »Plebejer von Rom, ich bringe euch Geschenke!« (Ein Plebejer war ein Arbeitsloser, der von gespendetem Brot lebte und freien Eintritt in den Zirkus genoß.)
Zuerst starrten die Plebejer, die sich im Forum drängten, den Sack so begierig an, als schauten sie einem Mädchen unter den Rock. Als sie sahen, daß der Sack leer war, begannen viele von ihnen zu johlen und ihn zu verspotten. Andere verloren die Geduld und warfen mit Kieselsteinen. Aber Jesus rief ihnen zu: »Die Geschenke, die ich euch bringe, sind dialektisch!« (Das war ein Ausdruck, den Jesus von den griechischen Philosophen hatte.) »Eure Wünsche sind die These. Dieser Sack ist die Antithese. Die Synthese ist, daß ihr euch von falschen Zielen, hochfahrenden Träumen, den Produkten einer kranken Gesellschaft befreien sollt! Leert euer Bewußtsein all dieser schlechten Dinge in diesen Sack! Alles wird hineinpassen, und er wird alle Widersprüche beseitigen. Statt dessen werdet ihr entdecken, daß Geschenke je nach Notwendigkeit gegeben werden sollten und sich nicht nach euren Sehnsüchten richten dürfen – aber die Gesellschaft basiert im Augenblick auf legalisiertem Diebstahl, auf der Entfremdung der Menschen von ihrer Scholle, von ihrer Arbeit, sogar von ihren eigenen Körpern und ihrer Sexualität.«
Durch seine täglichen Wiederholungen bekamen es die Leute allmählich mit. Bald glaubten ihm ein paar von den Plebejern – und stiegen in den Sack und wieder heraus als Zeichen für ihren Gesinnungswandel. Dann viele.
Schließlich war die Neugier des Kaisers geweckt, denn die Plätze im Zirkus blieben leer und die Elefanten und die dressierten Affen, die auf ihnen ritten, weinten. Außerdem gab es Unruhen unter seinen Soldaten durch die Aussicht auf einen weiteren Kolonialkrieg.
Der Kaiser selbst führte einen Zug zuverlässiger Gardesoldaten zum Forum in der Absicht, Jesus mit ihren Speeren zu töten. Auf dem Weg dorthin hatte der Kaiser … – nun, wir müssen die Wahrheit sagen: er war Hysteriker, aber er war schlau genug, um zu begreifen, daß seine eigene politische und wirtschaftliche Infrastruktur am Zerbrechen war – hatte also der Kaiser einen prophetischen Anfall. Er sah
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