Frohes Fest!
sagte sie. »Das sind echte Tränen!«
Ich sah mir das Bild an, und es schien mir, als blickten die feuchten Augen tief und genau in meine. Und plötzlich war da dieser Gedanke in meinem Kopf: Du solltest zum Kreiskrankenhaus. Da gab es einen Notfall.
Als wir im Krankenhaus ankamen, schien es, als hätten sie mich bereits gesucht. Oma hatte schlimme Bauchschmerzen und sie sorgten sich wegen dieses großen, alten, faserförmigen Geschwürs, das sie schon seit langer Zeit hatte und daß vielleicht Blut drin war, nur hatten sie vorher nicht operieren wollen, weil sie schon alt war und so, aber jetzt mußten sie operieren und ihr Doktor wollte mit mir sprechen, draußen vor dem Operationssaal.
Er trug immer noch grüne Kleidung und einen Papierhut und Schuhschoner, genau wie im Fernsehen. Er benützte keine wohlgewählten Worte, sondern schoß gleich los. »Ihre Großmutter hat ein Baby bekommen.«
»Aber das ist unmöglich«, sagte ich. »Oma ist achtundsiebzig!«
Er schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an, so wie Ärzte dreingucken, wenn sie denken, man glaube ihnen nicht, und sagte: »Natürlich ist es möglich – es ist ja geschehen. Es scheint, vor mehr als fünfzig Jahren ging ihre Großmutter mit Zwillingen schwanger, aber nur eines davon wurde tatsächlich geboren.«
Dann sprach er über Eisprung und Winterschlaf und eine Menge anderer komplizierter Sachen, die ich nicht verstand, weil ich halt vor dem Schulabschluß aufgehört habe und gejobt und so. Aber wie auch immer schien es, als habe sie dieses Baby fünfundfünfzig Jahre lang im Bauch gehabt und es war tatsächlich der Zwilling meines verstorbenen Vaters. Sie hatten die Fußabdrücke überprüft und es stimmte.
»Aber das ist noch nicht alles«, fuhr der Doktor fort. »Ich habe schon eine Menge verrückter Sachen gesehen – ich habe Babies auf die Welt gebracht, die alte ägyptische Amulette trugen oder mit heiligen Symbolen tätowiert waren und einmal habe ich gesehen, wie eine Frau eine Cabbage-Patch-Puppe zur Welt brachte. Aber niemals zuvor in all den Jahren meiner Praxis hat einer meiner Neugeborenen im Kreißsaal gesprochen!«
»Was hat er gesagt?«
»Als ich auf seinen kleinen Hintern klatschte, hat er nicht mal geweint, sondern mir nur in die Augen gesehen und gesagt: ›Der Zwilling kommt zurück. Love him tender und Don’t be cruel.‹ Sonst hat er nichts gesagt und jetzt benimmt er sich wie ein normales Baby.« Der Doktor nahm seinen Papierhut ab und kratzte sich am Kopf. »Der Zwilling. Damit meint er doch wahrscheinlich sich selbst, stimmt’s?«
»Nein. Nein, das ist es nicht.« Ich wußte auch nicht, was er damit meinte, damals, aber ich wußte, daß etwas Großes am Passieren war.
Da ich den ganzen Nachmittag bei Oma blieb und dann das Abendessen für Stacy und Tim machen mußte, blieben mir nur ein paar Stunden Schlaf vor der Arbeit. Ich kam ein paar Minuten zu spät, aber Ralph deckt mich immer – er ist ein wirklich guter Kerl. Er war dieser Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg, den sie gefunden hatten, nachdem er auf einem Rettungsfloß vierzig Jahre lang im Bermuda-Dreieck herumgetrieben war, aber das hat seinen Charakter nicht beeinflußt.
»Du kannst mir gratulieren! Ich werd’ in den Hafen der Ehe einlaufen«, sagte Ralph zu mir, während er seinen Schal und Mantel anzog.
»Wen heiratest du denn?« Ich wußte nicht mal, daß er mit jemandem ging. Soweit ich wußte, war dieser Eddy sein einziger richtiger Freund. Den hatte er während der Grundausbildung schon gekannt, und als er Ralphs Bild in der Zeitung gesehen hat, ist er gekommen und hat ihn besucht.
»Ich heirate Eddy«, sagte Ralph, und er wurde ein bißchen rot dabei. »Nein, es ist nicht so, wie du denkst. Siehst du, letztes Jahr wurde er vom Blitz getroffen und hat sich in eine Frau verwandelt!«
»Mann!« Ich erinnerte mich, daß ich davon gelesen hatte, aber ich hatte nicht bemerkt, wer das war. »Also dann, viel Glück und alles!« Wir würden ihm ein Hochzeitsgeschenk besorgen müssen.
Jesse war hinten gewesen und jetzt kam er herein, um das Regal mit Chips aufzufüllen. »Hast du von Ralph und Eddy gehört?« fragte er. Er hat so eine samtweiche, tiefe Stimme, aber ich habe nie rausgekriegt, woher sein Akzent stammt.
»Ich hoffe, sie werden glücklich«, sagte ich, begann an mich und Tim zu denken und verschluckte mich beinahe. Jesse kam her und nahm mich in die Arme – wir sind aber wirklich nur gute Freunde – und ich erzählte
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