Fromme Wünsche
Wer könnte deiner Meinung nach ein Veto eingelegt haben?“
„Vic, du weißt so gut wie ich: Kein Polizeiapparat
ist sicher davor, daß jemand von außen Druck ausübt. Man muß nur den richtigen
Nerv treffen. Falls du was weißt und nicht damit rausrückst, dann - dann -“ Ihm
fiel offenbar keine wirksame Drohung ein. „Und noch was. Welchen Stuß hast du
mir da erzählt von deiner armen, hilflosen Tante? Gestern nachmittag war eine
Kleine von uns draußen und wollte sie interviewen. Da hat ihr erst mal so ein
fetter Knilch, angeblich der Sohn, den Fuß in der Tür eingeklemmt und fast
zerquetscht, und dann kam dieses Weib dazu und ist mit nicht ganz druckreifen
Ausdrücken über die Presse hergezogen. Insbesondere über den Star.“
Ich lachte. „Gut gemacht, Rosa. Zwei Punkte für
uns.“
„Nun schlägt's dreizehn, Vic! Warum hast du mich auf
sie angesetzt?“
„Keine Ahnung. Vielleicht wollte ich wissen, ob sie
zu jedem so scheußlich ist wie zu mir. Oder weil ich dachte, du könntest mehr
aus ihr rausholen als ich. Ich kann's nicht sagen. Tut mir leid, daß sie deinen
Schützling beleidigt hat. Die Kleine wird schon noch lernen, daß solche Dinge
zum Handwerk gehören.“ Ich wollte Murray noch erzählen, daß ich davor gewarnt
worden war, meine Nachforschungen fortzusetzen, behielt es dann aber doch für
mich. Möglicherweise hatte jemand dem FBI einen Wink gegeben. Und
möglicherweise hatte dieser Jemand auch mich angerufen. Wenn sich das FBI
fügte, war es klüger, wenn ich's auch tat. Geistesabwesend wünschte ich Murray
eine gute Nacht.
9
Schlußgeschäft
Über Nacht hatte es nicht mehr geschneit. Ich stand
spät auf und drehte brav meine Joggingrunden, joggte aber diesmal kreuz und
quer durch die Nachbarschaft, denn ich hielt es für sinnvoll, die Route zu
wechseln; es war ja möglich, daß ich beschattet wurde.
Wenig später wandte ich im Auto die gleiche Taktik
an. Ich kurvte nördlich und westlich von meiner Wohnung durch Nebenstraßen und
fädelte mich an der Einfahrt Lawrence Street in den Verkehr auf der
Kennedy-Schnellstraße ein. Anscheinend folgte mir niemand. Etwa fünfzig
Kilometer weiter südlich liegt die Stadt Hazel Crest. Wie in einigen anderen
Vorstädten floriert auch dort das Geschäft mit Handfeuerwaffen. In Chicago
selbst ist der Verkauf verboten. Bei Riley's in der 161. Straße legte ich meine
Lizenz als Privatdetektivin vor, dazu ein offizielles Dokument, das mir meine
Eignung für den privaten Sicherheitsdienst bescheinigte. Damit konnte ich die
vorgeschriebene dreitägige Wartezeit umgehen und den Revolver trotzdem in
Chicago registrieren lassen.
Den Rest des Tages benutzte ich dazu, ein paar
Kleinigkeiten zu erledigen, die ich bisher aufgeschoben hatte. Die ganze Zeit
dachte ich darüber nach, wem es zu verdanken war, daß zuerst Rosa und dann das
FBI die Segel strich. Es würde mir wenig helfen, vor Rosas Haustür im Wagen zu
sitzen und sie zu beobachten. Ihr Telefon müßte ich anzapfen können - aber das
lag nicht im Bereich meiner Möglichkeiten.
Ich versuchte nun, von einer anderen Seite an die
Sache heranzugehen. Mit wem hatte ich gesprochen? Mit dem Prior, dem
Finanzbevollmächtigten und dem Kollegvorstand. Ferner mit Ferrant und Agnes.
Keinem dieser fünf traute ich irgendwelche Einschüchterungsversuche bei mir
oder beim FBI zu.
Jablonski war gewiß mit Vorsicht zu genießen, obwohl
er mir nicht wie ein Verrückter vorgekommen war. Und die katholische Kirche
hatte in Chicago noch immer großen Einfluß - wenn Pelly das auch bestritt.
Warum sollte sie aber das FBI unter Druck setzen? Außerdem nahm ein Kloster in
Melrose Park sowieso nur eine ganz untergeordnete Stelle ein, was Macht und
Einfluß betraf. Welchen Grund hätten die Patres, ihre eigenen Aktien zu
stehlen? Selbst wenn sie zu Fälschern Kontakt hatten, war das Ganze doch
ziemlich abwegig. Schließlich kam ich wieder zu meiner ursprünglichen Theorie
zurück: Ein Geistesgestörter hatte mich am Telefon bedroht, und das FBI war
unterbesetzt und legte deshalb den Fall zu den Akten.
In den folgenden Tagen geschah nichts, was diese
Ansicht widerlegte. Ich fragte mich gelegentlich, wie Onkel Stefan vorankommen
mochte. Wären die Fälschungen nicht gewesen, so hätte ich die ganze Sache
vermutlich vergessen.
Am Mittwoch mußte ich nach Elgin hinaus, um vor dem
dortigen Appellationsgericht auszusagen. Auf dem Heimweg machte ich einen
Abstecher nach Melrose Park. Ich wollte Carroll besuchen und
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