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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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    Das Diner wurde im Trident-Salon im vierten Stock
serviert, der zweihundert Leuten Platz bot, die hundert Dollar pro Nase
hingeblättert hatten für das Privileg, mit dem Erzbischof speisen zu dürfen. Am
Eingang stand eine magere Dame in Schwarz und ließ sich die Eintrittskarten
zeigen. Als sie Phil begrüßte, erschien fast so etwas wie ein freudiges
Strahlen auf ihrem sauertöpfischen Gesicht.
    „Dr. Paciorek, nicht wahr? Ihre Eltern müssen sehr
stolz auf Sie sein. Und das ist wohl die Glückliche?“
    Phil errötete. Er sah plötzlich sehr jung aus.
„Nein, nein, Sonja... Wo sitzen wir?“
    Man hatte uns Tisch fünf im vorderen Teil des Saals
zugeteilt. Dr. Paciorek und seine Frau saßen am Haupttisch, zusammen mit
O'Faolin, Farber und anderen gut betuchten Katholiken. Cecilia und ihr Mann
Morris saßen mit an unserem Tisch. Cecilia trug ein schwarzes Abendkleid, das
ihre überschüssigen Pfunde und ihre schlaffen Oberarme zur Geltung brachte.
    „Hallo,
Cecilia. Hallo, Morris. Schön,
euch zu sehen“, sagte ich aufgeräumt. Cecilia bedachte mich mit einem kühlen
Blick, aber Morris - ein harmloser Rohstoffhändler - erhob sich und gab mir die
Hand. Er beteiligte sich nicht an der Familienfehde gegen Agnes und ihren
Freundeskreis.
    Für hundert Dollar bekamen wir Meeresfrüchte in
Tomatensauce vorgesetzt. Die anderen am Tisch hatten schon zu essen begonnen.
Während die Kellner Phil und mich bedienten, studierte ich das Programm, das
neben meinem Teller lag. Der Erlös des heutigen Abends sollte dem Vatikan
zugute kommen, dessen Vermögen durch die anhaltende Rezession und den
Kursverfall der Lira zusammengeschrumpft war. Erzbischof O'Faolin, dem
Vorsitzenden des vatikanischen Finanzkomitees, oblag es, uns allen
höchstpersönlich für unsere Großzügigkeit zu danken. Nach dem Diner und den
Ansprachen von Farber und O'Faolin sowie Mrs. Catherine Paciorek, die
freundlicherweise die Organisation übernommen hatte, war ein zwangloser Empfang
mit Barbetrieb im angrenzenden Salon geplant.
    Der schwergewichtige Mann zu meiner Linken griff
nach seinem zweiten Brötchen. Ich fragte ihn, in welcher Branche er tätig sei,
und heuchelte übertriebenes Interesse an seinem Beruf, bis Phil mich anstieß:
„Vic, du mußt dich nicht wie ein Dummchen vom Lande aufführen, nur weil ich
dich zum Essen eingeladen habe. Erzähl mir lieber, was es Neues gibt.“
    Ich fing mit dem Brand an. Er verzog das Gesicht.
„Ich hatte fast die ganze Woche Bereitschaftsdienst und hab' keine Zeitung zu
Gesicht bekommen. Es gibt Zeiten, da könnte die Welt untergehen, und ich würde
es bloß an den Notfällen merken, die ich behandeln muß.“
    „Aber die Arbeit gefällt dir, oder?“
    Er strahlte. „Ich hätte es nicht besser treffen
können. Besonders die Forschungstätigkeit.“ Er war noch jung genug, um seine
unbedarften Zuhörer gnadenlos mit Fachwissen zu bombardieren. Ich folgte
seinen Erklärungen, so gut es ging, wobei mich seine Begeisterung mehr
gefangennahm als die technischen Einzelheiten. Cecilia hatte ein paarmal
versucht, ihm mit den Augen ein Zeichen zu geben. Sie war offenbar der Meinung,
daß solche Themen bei Tisch vermieden werden sollten, aber Phil war nicht zu
bremsen.
    Endlich war das Essen vorüber. Mrs. Paciorek hatte
sich bisher nur mit Erzbischof O'Faolin unterhalten. Plötzlich entdeckte sie
Phil und mich. Sie erstarrte. Auch Erzbischof O'Faolin wurde aufmerksam, und
die beiden flüsterten miteinander. Wollten sie mich hinauswerfen lassen? Zum
Glück sprach nun Kardinal Farber ein kurzes Tischgebet, und anschließend ließ
er sich darüber aus, daß das Reich Gottes auf Erden nur mit Hilfe irdischer
Werte geschaffen werden könne. Xavier O'Faolin, Erzbischof von Ciudad Isabella
und Vorstand des vatikanischen Finanzkomitees, wolle uns allen persönlich
seinen Dank für die großherzigen Spenden aussprechen.
    Die Anwesenden fühlten sich geschmeichelt und
spendeten begeistert Applaus, worauf O'Faolin das Podium an der Stirnseite
betrat, auf lateinisch Gottes Segen erbat und seine Rede begann. Weil er wegen
seines starken spanischen Akzents fast nicht zu verstehen war, wurden die Leute
unruhig.
    Phil schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was heute
mit ihm los ist. Er spricht sonst einwandfreies Englisch. Vielleicht hat Mutter
ihn aus dem Konzept gebracht.“
    Das Geflüster der beiden bei Tisch ging mir nicht
aus dem Kopf. Nachdem ich der Rede des panamaischen Erzbischofs sowieso nicht
folgen

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