Fromme Wünsche
Sessel. Ein bißchen fühlte ich mich wie Alice im Wunderland.
„Sie haben ganz schön Mumm in den Knochen, Miss Warshawski.
Auf dem Weg zu mir ist bisher noch keiner eingeschlafen.“
„Sie haben mich ziemlich fertiggemacht, Don
Pasquale. Ihre Leute haben meine Wohnung niedergebrannt, Walter Novick wollte
mir Säure in die Augen spritzen, und dann hat noch jemand den armen Mr.
Herschel niedergestochen. Ich muß eine Menge Schlaf nachholen.“
Er nickte. „Sehr vernünftig... Ich habe gehört, Sie
sprechen Italienisch. Vielleicht könnten wir uns in dieser Sprache unterhalten.“
„Certo. Ich habe eine Tante, Rosa Vignelli, eine
alte Frau. Vor zwei Wochen hat sie mich angerufen, sehr beunruhigt, weil in dem
Safe des Albertus-Magnus-Klosters gefälschte Wertpapiere gefunden worden
waren. Sie trägt die Verantwortung für den Safe.“ Mein Italienisch hatte ich
zum größten Teil vor meinem fünfzehnten Lebensjahr gelernt, vor Gabriellas
Tod. Wenn ich nach Wörtern suchen mußte, sprang mir Pasquale bei. „Meine Tante
hat außer ihrem Sohn und mir keine Angehörigen mehr. Deshalb hat sie bei mir
Hilfe gesucht.“
Don Pasquale nickte. Ein Italiener verstand das.
„Kurz darauf hat man mich angerufen, mir mit Säure
gedroht und mir befohlen, nicht mehr ins Kloster zu gehen. Später hat dann
jemand die Drohung wahr gemacht. Walter Novick.“ Meine nächsten Worte wählte
ich mit äußerster Vorsicht. „Selbstverständlich interessieren mich die
gefälschten Papiere. Aber eigentlich fällt das mehr ins Ressort des FBI. Ich
habe weder die Mittel noch die Leute, um in solchen Fällen tätig zu werden.“
Pasquales Gesicht veränderte sich nicht. „Ich mache mir hauptsächlich um meine
Tante Sorgen, auch wenn sie ein bösartiges altes Weib ist. Ich habe meiner
Mutter auf dem Totenbett versprochen, mich um sie zu kümmern. Aber wenn man
mich persönlich angreift, dann geht es auch um meine Ehre.“ Hoffentlich hatte
ich nicht zu dick aufgetragen.
Don Pasquale beschäftigte sich endlos mit seiner
Zigarre. „Na gut, Miss Warshawski. Aber was habe ich mit Ihrer Geschichte zu tun?“
„Walter Novick gibt damit an, daß er unter Ihrem
Schutz steht. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, daß er vorgestern
Stefan Herschel niedergestochen hat. Würden Sie ihn nicht schützen, so könnte
ich wegen der Herschel-Sache gegen ihn vorgehen. Den Säureanschlag vergesse
ich. Auch die Wertpapiere wären mir egal, außer meine Tante würde wieder in die
Sache hineingezogen.“
Pasquale lächelte. „Sie sind zwar ziemlich
couragiert, aber Sie arbeiten allein. Was für einen Handel schlagen Sie vor?“
„Das FBI hat kein Interesse mehr an dem Fall. Wenn
man den Leuten einen Tip gäbe, würde sich das vielleicht ändern.“
„Wenn Sie aus diesem Haus nicht mehr herauskommen,
bekäme das FBI den Tip nie.“
Er hatte mit sanfter Stimme gesprochen, aber ich
spürte, wie sich meine Nackenhaare sträubten. Als ich auf meine Hände
heruntersah, kamen sie mir ungewöhnlich klein und zart vor. „Es ist ein
Hasardspiel, Don Pasquale“, bekannte ich schließlich. „Ich weiß jetzt, wer mir
am Telefon gedroht hat. Falls Sie mit ihm unter einer Decke stecken, habe ich
keine Chance. Dann werde ich wohl eines Tages umgebracht. Ich würde
weiterkämpfen, aber jeder kann sich vorstellen, wie die Sache ausgeht. Sind Sie
und der Anrufer jedoch nur... Geschäftspartner, dann ändert das die Lage. Sie
haben ganz recht: Ich kann Ihnen keinen Handel vorschlagen. Der Herald-Star, die
Polizei, ja sogar das FBI würden im Fall meines Todes zwar auf Teufel komm raus
ermitteln. Das gleiche passiert auch, wenn ich die Fälschungsgeschichte publik
mache. Aber wie oft sind Sie schon ungeschoren davongekommen?“ Ich hob die
Schultern. „Ich appelliere nur an Ihr Ehrgefühl und an Ihren Familiensinn.
Damit Sie verstehen, warum ich so gehandelt habe und warum ich nicht aufgeben
kann.“ Der Mythos vom Ehrgefühl der Mafiosi! Ich konnte nur hoffen, daß
Pasquale auch vor sich selbst Wert auf sein Image legte.
Er sog ein paarmal an seiner Zigarre, bevor er
sprach. „Ernesto fährt Sie nach Hause, Miss Warshawski. Sie hören in Kürze von
mir.“
Ernesto - die
Reibeisenstimme - hatte während unseres Gesprächs schweigend an der Tür
gestanden und trat nun mit der Augenbinde auf mich zu. „Nicht nötig, Ernesto“,
erklärte Pasquale. „Wenn Miss Warshawski sich entschließen sollte, auszupacken,
dann wird sie kaum noch Gelegenheit dazu
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