Fromme Wünsche
Polizei von einem ganz gewöhnlichen Einbruch
aus. Nachdem Novick zur Unterwelt gehört, ist er für mich kein gewöhnlicher
Einbrecher.“ Ich erzählte von Onkel Stefans Silber und von seiner Vorliebe,
die Leute mit Torten und heißer Schokolade zu verwöhnen. „Als es an seiner
Wohnungstür klingelte, dachte er wahrscheinlich, es seien die Nachbarskinder.
Vielleicht waren sie's auch... Armer alter Mann.“ Mir kam eine Idee. „Du
müßtest mit Mrs. Silverstein reden, seiner Nachbarin. Sie hatte öfter mit ihm
zu tun. Möglich, daß sie dir ein paar gute Tips geben kann.“
Murray machte sich Notizen. „Na schön. Aber trotzdem
trau' ich dir nicht über den Weg, V. I. Daß du zufällig dort gewesen sein
willst, kaufe ich dir nicht ab.“
Achselzuckend hielt ich vor der Reinigung. „So war's
jedenfalls, ob du's nun glaubst oder nicht.“
„Sind wir etwa nur deshalb so weit gefahren, weil du
zur Reinigung wolltest? Das war alles? Dann überleg dir mal, wie du mich wieder
ins Zentrum beförderst.“
Ich grinste ihm zu und betrat mit meinem Stoffpaket
die kleine Schneiderei. Dort herrschte ein wüstes Chaos. Die Nähmaschine
stammte aus der Zeit der Jahrhundertwende, und der Mann, der im Schneidersitz
in der Ecke hockte, schien nicht jünger.
Obwohl er mich wahrgenommen hatte, nähte er erst
etwas fertig. Dann sah er mich an. „Ja?“
„Könnten Sie mir ohne Schnitt etwas nähen?“
„Aber ja, junge Frau. Kein Problem.“ Er sprach mit
starkem Akzent. „Was brauchen Sie denn?“
Ich zeigte ihm die Skizze und zog den Stoff aus dem
braunen Papier. Er studierte die Skizze. „Kein Problem.“
„Und könnte ich es am Montag abholen?“
„Montag? Die junge Dame hat's also eilig.“ Er
deutete auf mehrere Stoffstapel. „Schauen Sie sich das an. Sind alles Aufträge.
Die Leute warten seit Wochen darauf. Montag! Meine
liebe Dame!“
Ich nahm auf einem Fußschemel Platz und verhandelte
ernsthaft mit ihm. Schließlich war er zum doppelten Preis - vierzig Dollar -
mit dem Termin einverstanden. Am Montag mittag sollte ich vorbeikommen.
Murray hatte einen Zettel unter den Scheibenwischer
geklemmt. Er sei mit dem Taxi in die Stadt zurückgefahren, und ich stünde bei
ihm mit sechzehn Dollar in der Kreide. Ich warf den Zettel in den Papierkorb
und fuhr nach Skokie.
Man hatte Onkel Stefan am Nachmittag in ein
gewöhnliches Krankenzimmer verlegt, so daß ich nicht mehr auf die Gnade von
Arzt und Schwestern angewiesen war, wenn ich ihn besuchen wollte. Allerdings
war auch der Wachtposten abgezogen worden. Nach Ansicht der Polizei bestand
keine Gefahr für ihn, wenn es sich bei seinem Angreifer nur um einen Einbrecher
handelte. Ich biß mir auf die Lippe. Mit meiner erfundenen Geschichte hatte
ich ihm keinen Gefallen getan. Die Wahrheit allein konnte die Polizei davon
überzeugen, daß Onkel Stefan Schutz brauchte.
Der alte Herr freute sich sehr, mich zu sehen. Am
Morgen hatte Lotty ihn besucht, aber sonst kam niemand. Ich zeigte ihm die
Fotos. Ohne zu zögern, deutete er auf Novick.
„Ja. Dieses Gesicht vergesse ich nicht so schnell.
Das ist der Kerl.“
Ich unterhielt mich noch eine Weile mit ihm und
überlegte dabei ständig, was man zu seinem Schutz tun konnte. Wie wär's, wenn
ich der Polizei einfach Novicks Foto übergab? Doch falls Pasquale ihn deckte,
würde er bedenkenlos Onkel Stefan und mich erledigen.
Abrupt unterbrach ich Onkel Stefan. „Entschuldigen
Sie, aber ohne Bewachung ist mir das Risiko für Sie zu groß. Hier kann jeder
rein und raus. Ich möchte einen privaten Sicherheitsdienst beauftragen. Würden
Sie Dr. Metzinger sagen, daß es Ihr Wunsch war? Er wird zwar glauben, Sie
leiden an Verfolgungswahn, doch er wird's Ihnen kaum verwehren.“
Onkel Stefan wollte den Helden spielen und brachte
verschiedene Einwände vor, bis ich ihm erklärte, daß die Ganoven auch mir auf
den Fersen waren. „Wenn sie uns beide erwischen, erfährt die Polizei nie
etwas. Und was wird aus unserem Detektivbüro?“ Mit diesem Appell an seine
Ritterlichkeit gelang es mir, ihm die Idee zu verkaufen.
Der Sicherheitsdienst, den ich beauftragen wollte,
nannte sich All Night - All Right. Die Arbeitsweise der drei gewichtigen
Brüder und ihrer zwei Freunde entsprach in mancher Hinsicht genau der wenig
professionellen Firmenbezeichnung. Sie nahmen nur Aufträge an, mit denen sie
sich identifizieren konnten - also keine Schickeria-Hochzeiten oder ähnliches.
Ich hatte sie einmal gebraucht, als ich einem afghanischen
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