Fromme Wünsche
erschien mir verhältnismäßig einfach,
vier ergab sich automatisch. Ich rief Murray beim Herald-Star an.
„Oh, du lebst ja noch“, begrüßte er mich.
„Nicht meine Schuld. Ich brauche ein paar Fotos.“
„Fabelhaft. Das Art Institute hat welche zu
verkaufen. Ich hab' dich gestern nicht erreicht. Wir wollen was bringen über
Stefan Herschel und deine Festnahme.“
„Weshalb willst du mit mir reden? Erfinde doch was,
so wie neulich.“
„Du kriegst die Fotos, ich krieg' meine Geschichte.
Wer soll's denn sein?“
„Walter Novick.“
„Du glaubst, er hat auf Stefan Herschel
eingestochen?“
„Ich will nur wissen, wie er aussieht. Könnte sein,
daß er wieder auf mich losgeht.“
„Schon gut, schon gut. Deine Bilder kannst du dir um
vier im Golden Glow abholen. Reservier mir 'ne halbe Stunde.“
„Du hältst dich wohl für Bobby Mallory, was?“ sagte
ich gereizt. „Ich muß dir gar nichts erzählen.“
„Wie ich höre, machst du bei Mallory auch nicht den
Mund auf.“ Das Gespräch war zu Ende.
Es war erst zwei, so daß mir genug Zeit blieb zu
überlegen, wie ich an die Unterlagen der Leute auf meiner Liste herankommen
konnte. Ich könnte als herumreisendes Corpus-Christi-Mitglied verkleidet an
Mrs. Pacioreks Tür klopfen, und während sie in ihr Gebet vertieft war...
Moment! Ich konnte mich wirklich verkleiden, aber nicht für Mrs. Paciorek, sondern
für einen Besuch im Kloster. Auf diese Art könnte ich mir O'Faolin und Pelly
gleichzeitig vornehmen - vorausgesetzt, die Verkleidung wirkte echt. Es klang
verrückt, aber mir fiel nichts Besseres ein.
In der Jackson Street gibt es eine ganze Anzahl von
Stoffgeschäften. In einem entdeckte ich einen Ballen weiches weißes Wolltuch.
Ich zeichnete das Gewand auf, und wir einigten uns auf zehn Meter Stoff. Nicht
gerade geschenkt bei acht Dollar pro Meter. Das restliche Zubehör erstand ich
in einer Devotionalienhandlung.
Auf dem Weg zum Golden Glow kaufte ich, einem Impuls
folgend, bei einer schäbigen Druckerei sechs alte Fotografien von Mitgliedern
der Chicagoer Unterwelt, um sie unter die Bilder zu mischen, die Murray für
mich herausgesucht hatte.
Es war beinahe vier Uhr. Vor meiner Verabredung mit
Murray schaffte ich es nicht mehr bis zu der kleinen Schneiderei in der
Montrose Street. Aber bis Montag konnte ich nicht warten. Murray mußte sich mit
mir eben im Wagen unterhalten.
Er war nicht begeistert von der Idee, denn bei
meinem Eintreffen süffelte er gerade sein zweites Bier; er hatte die Stiefel
ausgezogen und wärmte seine Füße an einem kleinen Kamin. Während er sich
mißmutig die Stiefel anzog, schlug ich den Aktendeckel auf, der vor ihm auf der
Theke lag. Er enthielt zwei Aufnahmen von Novick, beide nicht besonders scharf,
aber er war gut zu erkennen. Die Aufnahmen waren gemacht worden, als er wegen
versuchten Totschlags und bewaffneten Raubüberfalls vor Gericht stand.
Verurteilt worden war er allerdings nicht. Bei Pasquales Freunden kam das sehr
selten vor. Ich stellte fest, daß Novick mir unbekannt war.
In forschem Tempo führte ich Murray zu meinem Wagen.
„Mensch, Mädchen, lauf langsam. Ich hab' den ganzen Tag gearbeitet und mir
gerade ein Bier genehmigt.“
„Wenn du deine Story willst, mußt du dich schon
anstrengen, Ryerson.“
Er klemmte sich mühsam auf den Beifahrersitz und
meckerte darüber, daß der Wagen für ihn zu klein sei.
„Wie kam's, daß du Stefan Herschel ausgerechnet an
dem Tag besucht hast, als er überfallen wurde?“
„Was sagt denn er darüber?“
„Die dämlichen Ärzte lassen uns nicht mit ihm reden.
Ich muß mich wohl oder übel auf dich verlassen, und aus dir kriege ich ja nur
die Hälfte raus. Mein Informant bei der Polizei hat mir erzählt, daß sie dich
eingesperrt haben wegen Behinderung der polizeilichen Ermittlungen. Worum
ging's eigentlich?“
„Ach, das Ganze beruht nur auf Lieutenant Mallorys
reger Phantasie. Es hat ihm nicht gepaßt, daß ich in Mr. Herschels Wohnung war
und ihm das Leben gerettet habe. Irgendeinen Vorwand mußte er ja haben.“
Murray fragte noch einmal nach dem Grund meines
Besuchs und bekam die Standardversion zu hören: Onkel Stefan sei alt und
einsam, und ich sei zufällig vorbeigekommen. „Als ich ihn im Krankenhaus
besuchte -“
„Du hast mit ihm gesprochen?“ dröhnte er. „Was hat
er gesagt? Fährst du jetzt zu ihm? Hat Novick ihn niedergestochen?“
„Ich fahre nicht zu ihm, und ich weiß auch nicht, ob
es Novick war. Im Augenblick geht die
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