Fronttheater
einer Weile. Er zog das Papier aus der Tasche und übergab es Walter Meyer. »Hier!«
»Stradfjord – Ragnsund – Palleholm …« Meyer sah über das Blatt zu Planitz. »Sagen Sie mal, wo liegen denn diese Kaffs?«
»An der Westküste«, antwortete Planitz.
Walter Meyer schüttelte den Kopf. »Nie gehört.« Er sah Planitz fragend an.
Kurt Planitz zuckte mit den Schultern. »Ich hätte euch gern was Besseres besorgt«, sagte er mit überzeugendem Bedauern in der Stimme, »aber mir sind die Hände gebunden. Ich habe leider keinen Einfluß auf das Programm.«
Die Sonne knallte unbarmherzig auf die russische Steppe. Obergefreiter Doelles hatte seine Jacke bis zum Nabel geöffnet, als er den schmalen Trampelpfad entlang zum Gefechtsstand der 8. Kompanie ging.
Ab und zu blieb er stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und wechselte den schweren Postsack auf die andere Schulter.
»Ich hätte ja auch den Spieß nicht gleich ›dämlicher Hammel‹ zu nennen brauchen«, murmelte er mit einem Anflug von Bedauern. »Einen alten Krieger als Postboten zu benutzen, ist schon fast beleidigend.«
Zehn Minuten später hatte er Leutnant Kramers Gefechtsstand erreicht. Erleichtert lud er den Postsack in der Schreibstube ab und verkrümelte sich in Richtung Feldküche, um sich etwas Trinkbares zu organisieren.
Als er fünf Minuten später zur Schreibstube zurückkam, saß Leutnant Kramer auf den Stufen der Kate und las Irenes ersten Brief aus Norwegen.
Und da hockte der Unteroffizier Pumpe und las einen Brief von Lore Sommerfeld.
»Na, haben Sie auch Post aus Norwegen?« fragte ihn Leutnant Kramer.
»Nein. Lore ist jetzt bei einer Frau Berthold in Lübeck«, sagte Pumpe. »Sie kriegt doch bald unser Kind.«
»Doch nicht Ihres, Pumpe«, verbesserte Leutnant Kramer.
Pumpe zuckte mit den Schultern. »So genau kommt's ja gar nicht darauf an, nicht? Der richtige Vater wird sich wohl nicht mehr melden. Wahrscheinlich ist er gefallen, der arme Kerl. Im nächsten Urlaub werde ich das Mädel heiraten.« Pumpe kramte in seiner Jackentasche und zog ein paar engbeschriebene Zettel heraus. »Ick hab' da ein paar Jedichte für meine Lore gemacht, Herr Leutnant«, verkündete er.
»Später, Pumpe«, winkte Kramer hastig ab. »Vielleicht heute abend.«
Doelles hatte nur Pumpes letzten Satz gehört und kam interessiert näher.
»Gedichte machste?« fragte er den Unteroffizier. »Lies mal vor.«
Pumpe stopfte den Zettel hastig in die Tasche zurück. »Ick wer' doch nich meine Perlen vor die Säue werfen«, sagte er hoheitsvoll. »Zieh Leine!«
Doelles blieb stehen, wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und musterte Pumpe aus zusammengekniffenen Augen. »Nun sag bloß, du schickst das Zeug an 'n Mädchen«, meinte er spottend.
»Jawohl.« Pumpe sah Doelles giftig an. »Und sie freut sich darüber!«
»Wird 'ne schöne Trine sein.«
Unteroffizier Pumpe sprang auf die Füße. Mit geballten Fäusten trat er auf Doelles zu. »Die is zehnmal besser als alles, was du jemals kriegen wirst, du trauriger Schnäpser«, brüllte er. »Meine is vom Fronttheater.«
Doelles ließ die Fäuste sinken. »Ich habe auch mal eine kennengelernt«, sagte er sofort friedfertig. »Die war …«
Pumpe stieß ein höhnisches Gelächter aus. »'ne Kulissenschieberin, wat?« Er blinzelte Doelles mißtrauisch an. »Sag mal, von welchem Haufen biste eigentlich?«
Doelles hörte die Frage nicht. »Wie heißt sie denn?«
»Das geht dich einen feuchten Kehricht an«, fauchte Pumpe.
»Vielleicht kannst du sie mal fragen, ob sie mein Mädchen kennt«, bat Doelles leise. »Ich weiß nicht, wie ich sie erreichen kann, und …«
Pumpe ließ ihn nicht ausreden. »Ich habe jefragt, von welchem Haufen du bist«, wiederholte er hartnäckig.
»Wieso? – Vierte Kompanie«, sagte Doelles.
»Von Peters seiner krummen Vierten?« Pumpe trat einen Schritt zurück. »Hau ab, Mensch. Mit der vierten Kompanie rede ich nich!«
Im ersten Gang keuchte der LKW der Theatertruppe die steilen Serpentinen hinauf. Ab und zu blitzte im Westen ein Stückchen Blau auf: die norwegischen Fjorde.
»Mit KdF nach Norwegen«, sagte Sonja Deppe mit Leidensmiene. »Kinder, tut mir mein Kreuz weh!« Sie rutschte auf der Holzbank hin und her, um einen bequemeren Sitz zu finden.
»Wie weit ist es noch bis Stradfjord?« fragte Karl Pykora.
Garten sah auf die Armbanduhr. »Noch eine halbe Stunde.«
»Kinder, meckert doch nicht soviel! Genießt lieber diese schöne,
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