Fronttheater
aufhören, Mutter«, sagte er. »Die Leitung wird gebraucht. Auf Wiedersehen.«
»Karl! Hör doch, Karl!« Die Stimme seiner Mutter zitterte vor Angst. »Häng noch nicht ein, bitte. Wann kommst du wieder nach Hause? Bekommst du keinen Urlaub?«
Karl Pykora hatte den Hörer vom Ohr genommen und starrte mit tränenden Augen in die schwarze Muschel, aus der die Stimme seiner Mutter kam.
»Ich werde dir einen Apfelkuchen schicken, Karl. Mit Streuseln. Den magst du doch so gerne. Ich werde ihn sofort backen. Du mußt …«
Karl Pykora drückte die Gabel herunter.
»Auf Wiedersehen, Mutter«, flüsterte er.
Obergefreiter Doelles saß auf einem Feldstein. Auf den Knien hielt er ein Stück Brett, als Schreibunterlage.
Eine Seite des Bogens war schon vollgeschrieben. Doelles hielt inne und las sein Werk noch einmal durch.
»Mein geliebtes Lorchen«, murmelte er halblaut. »Endlich weiß ich Deine Feldpostnummer und kann Dir schreiben. Ich hoffe, daß ich jetzt wieder von Dir höre.
Wenn Du willst, können wir sofort heiraten. Ich habe schon mit dem Spieß wegen einer Ferntrauung gesprochen. Er sagt zwar, ich sei ein Idiot, weil es ja doch nicht das Richtige ist, mit 'nem Stahlhelm auf dem leeren Stuhl und so. Aber die Feier können wir ja später nachholen.«
Doelles nickte befriedigt. Dann drehte er das Blatt um und schrieb weiter: »Ich habe noch immer ein Zopfband von Dir. Du hast es damals in Dabuscha vergessen. Und irgendwann kriegst Du es wieder, das habe ich mir geschworen. Bis dahin trage ich es in meinem Brustbeutel.«
Ein Schatten fiel über den Brief. Doelles sah hoch, sprang dann auf die Füße und baute sich vor Oberleutnant Peters auf.
»Obergefreiter Doelles aus dem Lazarett zurück!« meldete er grinsend.
»Freut mich, daß Sie wieder da sind, Doelles!« Peters streckte ihm die Hand hin.
Dann wandte er sich an Leutnant Kramer, der mit ihm gekommen war. »Der Doelles hätte dreimal tot sein müssen«, sagte er kopfschüttelnd. »Wenn ich so zurückdenke …«
»Obergefreite sind eine zähe Rasse«, meinte Kramer lächelnd. »Diesen Krieg werden nur die Obergefreiten überleben.« Er nickte Doelles zu, dann wandte er sich wieder an Peters: »Ich muß jetzt zu meinem Haufen zurück. Vorher fahre ich rasch noch beim Alten vorbei.«
»Sie fahren zum Bataillon?« fragte Doelles.
Kramer nickte.
»Könnten Sie mir einen Brief mitnehmen, Herr Leutnant. Dann geht er schneller raus.«
Doelles kritzelte hastig einen Gruß unter sein Schreiben, klebte es zu und reichte es Kramer.
»Bei Ihnen scheint's ja mächtig zu brennen«, sagte Kramer lächelnd und warf einen kurzen Blick auf die Adresse. »Ist Ihr Fräulein Braut bei der Wehrmacht?«
»Nein. Fronttheater«, erklärte Doelles stolz.
»Sieh mal an«, lächelte Kramer. »Da sind wir ja sozusagen Kollegen. Ich habe nämlich auch jemand bei einer Theatertruppe.«
»Meine Braut spielt das ›Gretchen‹«, verkündete Doelles. »Eine dolle Schauspielerin, das können Sie glauben.«
Kramer zog die Augenbrauen hoch. »Die alten Obergefreiten sind nicht nur langlebiger als wir«, sagte er zu Peters. »Sie sind uns anscheinend auch bei den Damen voraus. Meine Irene macht bloß so ein bißchen Kabarett.«
»Muß ja auch sein«, meinte Doelles gönnerhaft.
Kramer steckte den Brief in die Tasche.
Sie spielt das Gretchen, dachte er. Einen Augenblick sah er ein blasses, kindliches Gesicht vor sich. Ein blondes, zartes Mädchen, das er in Irenes Truppe bemerkt hatte. Ein ausgesprochener Gretchentyp. »Sagen Sie mal, Doelles. Ist Ihre Bekannte …«
»Ja, Herr Leutnant?«
»Ach nein. Nichts.« Es wäre ja zuviel des Zufalls, wenn sie ausgerechnet mit Irene zusammen sein sollte. Unmöglich.
»Also dann, macht's gut.« Leutnant Kramer ging zu seinem Wagen.
»Sie vergessen den Brief nicht, nein?« rief Doelles hinter ihm her.
»Keine Sorge. Der kommt schon an.«
Hoffentlich, dachte Doelles, als er hinter dem Wagen herstarrte. Hoffentlich kommt er an.
Zwei Wochen später kam ein Brief. Aber nicht von Lore. Es war Doelles' eigener Brief, den er an Lores Feldpostnummer geschrieben hatte.
Quer über die Anschrift war ein Stempel: »Einheit verlegt, neue Feldpostnummer abwarten.«
Eine volle Minute lang starrte Doelles auf die lakonische Mitteilung. Er zerriß den Brief langsam in kleine Fetzen. Mit dem Stiefelabsatz bohrte er ein tiefes Loch in die Erde und ließ die Papierfetzen hineinfallen. Dann scharrte er das Loch wieder zu.
»Sieht fast aus wie
Weitere Kostenlose Bücher