Fronttheater
niedergestreckt hatten.
Jupp Doelles sah sie nicht. Er hatte nur Augen für den sterbenden Unteroffizier Pumpe, der sein Leben geopfert hatte. Für ihn. Für Lore. Für ihren kleinen Sohn.
Er merkte nicht, daß einer der Russen noch lebte und mit haßerfüllten Augen zu den Deutschen hinüberstarrte. Langsam, unendlich vorsichtig tastete seine Hand nach der Maschinenpistole, zog sie heran, Millimeter für Millimeter, bis sie über seinem zerschossenen Leib lag.
Sorgfältig richtete der Russe die Mündung auf Doelles' Rücken. Der Zeigefinger krümmte sich um den Abzugshahn.
»Kommen Sie, Doelles.« Leutnant Kramer legte die Hand auf Doelles' Arm. »Pumpe merkt nichts mehr.«
Der verwundete Russe hob langsam den Kopf. Die Bewegung kostete ihn fast den Rest seiner versickernden Lebenskraft. Sein zerfetzter Leib brannte wie Feuer. Und der Lauf der Maschinenpistole drückte auf die Wunden.
»Jupp!« Ein verzweifelter, angstvoller Schrei.
Lores Kleid war ein heller Fleck gegen das Dunkel des Waldes. Stolpernd lief sie über die kleine Lichtung.
Der verwundete Russe biß die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien vor Schmerz, als er die Maschinenpistole etwas nach rechts verschob. Über Kimme und Korn starrte er mit haßerfüllten Augen auf Doelles' Rücken. Sorgfältig nahm er Druckpunkt.
»Wiedersehen, Pumpe«, sagte Doelles. Er hatte sich schon halb erhoben, als ihn plötzlich ein harter Stoß vor die Brust traf. Im Fallen spürte er noch das Gesicht eines Körpers, der sich über ihn warf, ihn dicht neben den sterbenden Pumpe zu Boden preßte.
Und in der nächsten Sekunde ballerte eine Maschinenpistole. Die Geschosse zischten über seinen Kopf hinweg, gruben sich mit patschendem Geräusch in Pumpes Körper.
Ein gellender Schrei durch das Ballern der MP. Ein heiseres, tierisches Heulen.
Das Schreien hielt an, als das Schießen endlich verstummte.
Leutnant Kramer, der Doelles zu Boden gerissen hatte, hob vorsichtig den Kopf. »Liegenbleiben!« zischte er Doelles zu.
Der Russe lag auf dem Rücken, die Hände in seinen zerrissenen Leib gekrampft. Der Rückstoß seiner Waffe hatte das Magazin tief in die Wunden getrieben.
»Jupp – Jupp!« Halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen stolperte Lore über die Lichtung.
»Halt!« brüllte Kramer ihr zu. »Bleiben Sie zurück!«
Sie hörte ihn nicht.
Mit zwei Sprüngen war Kramer bei dem Russen und stieß mit dem Fuß die Waffe fort.
Das grauenhafte Schreien des Verwundeten wurde allmählich schwächer, ging in ein röchelndes Stöhnen über.
»Jupp!« schrie Lore, als sie stolpernd auf die kleine Gruppe zulief. »Wo ist Jupp?«
Ihre Stimme riß Doelles aus seiner Benommenheit. Er öffnete die Augen. Sie begegneten dem starren, toten Blick des Unteroffiziers Pumpe.
Langsam stand Jupp Doelles auf und taumelte Lore entgegen.
Wie gehetzt lief Bereichsleiter Kurt Planitz die Rollbahn entlang nach Westen.
Zuerst waren die Einschläge der russischen Artillerie nur hinter ihm gewesen. Jetzt waren sie auch auf beiden Seiten, krochen immer näher auf ihn zu. Als wenn eine riesige Zange sich schlösse – um ihn schließlich zu zerquetschen.
»Stoi!« Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich eine abgerissene Gestalt am Rand eines dichten Gebüsches. Die Mündung eines Karabiners starrte auf seinen Bauch.
»Nicht schießen!« schrie Planitz in panischem Entsetzen. Er hob die Hände und taumelte ein paar Schritte zurück. Schwarze Schleier der Angst tanzten vor seinen Augen.
»Ach, 'n Deutscher«, hörte er eine Stimme sagen. »Nu nimm schon die Flossen wieder runter.«
Allmählich lichteten sich die Schleier. Planitz starrte in ein dreckiges Landsergesicht. Ein blutiger Verband verdeckte die Stirn und ein Auge. Das andere blinzelte ihn mißtrauisch an. »Haste was zu fressen. Kumpel?«
Planitz schüttelte den Kopf und versuchte, sein rasendes Herz wieder auf Normaltouren zu schalten. »Gehören Sie zu einer deutschen Einheit?« fragte er hoffnungsvoll.
»Das war mal«, sagte der Landser. »Ich bin der letzte von meinem Haufen. Die andern sind hin.« Er nahm das Gewehr in die Armbeuge und kam ein paar Schritt näher. »Was bist du denn für 'n Vogel? Ach, 'n Brauner«, sagte er dann fast mitleidig. »Na, dann bete man, daß dich der Iwan nicht erwischt. In der braunen Haut möcht ich jetzt nicht stecken. Nicht für 'ne Million.«
Nebeneinander trotteten sie weiter.
Er hat ja recht, dachte Planitz entsetzt. Wenn die mich in meinem Parteirock erwischen,
Weitere Kostenlose Bücher