Froschkuss (German Edition)
kicherte: „Mir ist irgendwie total schwindelig.“ Ein Seehund zog auf dem Rücken liegend an uns vorbei. Seine Kollegen waren offensichtlich schon schlafen gegangen. Ich kannte die Namen der Seehunde, weil ich schon einmal über sie berichtet hatte: Kielius, Jimmy, Luna, Bea und – Dagmar, der einzig merkwürdige Name für einen Seehund, fand ich. Seit das Becken vergrößert worden war, hatten die Tiere viel mehr Platz und genossen es sichtlich, im Wasser gemächlich ihre Bahnen zu ziehen. Früher war es allerdings möglich gewesen, direkt an den Rand des Beckens zu treten, aber das ging nun nicht mehr, da ein zweites Geländer die Besucher auf Abstand hielt. Ich zog Karla am Ärmel: „Komm lass uns nach Hause gehen, ich bin müde.“
Karla nickte: „Kommst du mit zu mir? Ich möchte jetzt nicht so gern allein sein.“ Meine Freundin hatte eine zauberhafte Wohnung in der Kleiststraße, ganz in der Nähe vom Finanzamt Nord. Da wir beide zu viel getrunken hatten, ließ ich meinen Golf stehen, und wir riefen uns ein Taxi, da wir zu faul waren, den ganzen Weg zu Fuß zu gehen. Vor der Haustür kramte Karla ewig in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüssel, und ich betrachtete derweil die Namensschilder, das war immer eine interessante Angelegenheit. Ganz oben wohnte „P. Haberecht“ – bestimmt ein Rechtsanwalt oder Steuerberater, dachte ich. Sein Schild war sauber und ordentlich, wahrscheinlich von einem Profi hergestellt, ganz im Gegenteil zu dem von Karla. Ihr Nachname „Uttich“ stand auf einem zerknitterten Zettelchen, und die Schrift war schon ganz verblasst. Auf den Plastikschutz hatte jemand frecherweise einen Kaugummi geklebt, igitt! Endlich hatte Karla die Eingangstür und ihre Haustür geöffnet, und wir betraten den schmalen Flur ihrer Wohnung. Direkt neben dem Eingang war eine Garderobe, voll behangen mit Mänteln und Jacken für jede Jahreszeit und Gelegenheit. Links an der Wand standen sauber aufgereiht Karlas Schuhe – von roten und schwarzen Pumps über Stiefel in verschiedenen Farben und Formen bis hin zu einigen Paaren Sportschuhen. Wir teilten unsere Leidenschaft für Schuhe! Karla pfefferte ihre Jacke achtlos in die Ecke: „Komm, ich mach uns noch etwas Kleines zu essen.“ Ich folgte ihr in die gemütliche Küche, in der ein großer, weiß gebeizter Holztisch stand. Durch das hohe Fenster drang der schwache Schein der Straßenlaternen in den Raum, und der große Edelstahlkühlschrank in der Ecke summte leise. Karla zündete ein paar Kerzen an, öffnete ihren Kühlschrank und holte Oliven, Tomaten und Mozzarella heraus. Sie schnitt frisches Weißbrot auf und drapierte alles auf einer großen Platte. Meine Freundin hatte ein Händchen dafür, Speisen, auch wenn sie noch so einfach waren, so appetitlich zu arrangieren, dass mir sofort das Wasser im Mund zusammenlief. Sie fragte, ob ich noch einen Wein haben wolle, aber ich war froh, dass es mir wieder besser ging, und ich nahm mir stattdessen ein Glas Wasser. Als wir es uns endlich in ihrem breiten Bett gemütlich gemacht hatten, war es schon fast drei Uhr morgens. Ich schlief sofort ein und träumte lautes wirres Zeug, bis ein merkwürdig klickendes Geräusch in mein Bewusstsein drang. Ich öffnete die Augen und lauschte: „Klick!“ Das kam vom Fenster und hörte sich so an, als ob jemand einen kleinen Stein gegen das Glas geworfen hatte. Ich stieg über Karla hinweg, die tief und fest schlummerte, stolperte über am Boden liegende Zeitschriften und erreichte das Fenster atemlos. Das war ja nun wirklich die Höhe! Dort im Licht der Straßenlaterne erkannte ich Karim, der offenbar gerade nach vorne gebeugt auf der Suche nach einem weiteren Stein war. Ich öffnete das Fenster: „Was willst du?“, zischte ich wütend. Erschrocken zuckte der Lover meiner Freundin zusammen: „Isssst Kaarlaaa nech da?“
„Die schläft! Was willst du?“
Er grinste breit: „Ich woollte halt noch ein bisschen ...“
„Ne, daraus wird nichts“, unterbrach ich ihn unwirsch, „und außerdem bin ich ja auch noch da!“
Er ging ein paar Schritte auf das Fenster zu, sodass ich sein Gesicht genau erkannte. Er sah etwas mitgenommen aus: Seine Haare waren zerzaust, seine Jacke war zerknittert und ein neonfarbenes Plastikband irgendeines Clubs leuchtete an seinem rechten Handgelenk. Er verzog anzüglich seine Mundwinkel: „Abeer das macht doooch nichts!“
Meine Geduld war nun am Ende, außerdem hörte ich, wie sich Karla im Bett hinter mir umdrehte,
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