Froschkuss (German Edition)
neugierig entgegengehoppelt kam. Leon beugte sich zu meinem Hasen hinunter und streichelte ihn: „Der ist aber süß.“ Wenigstens etwas, dachte ich. „Ich muss jetzt noch einmal los“, sagte ich und übergab ihm meinen Zweitschlüssel, den er dankend annahm und in die Hosentasche seiner schlabbrigen Jeans steckte. „Pass aber bitte darauf auf“, ermahnte ich ihn, „das ist ein Sicherheitsschlüssel, und wenn du den verlierst, muss das ganze Schloss ausgewechselt werden.“ Wieder nickte er nur als Antwort, dann holte er seufzend Luft: „Bis du eigentlich immer so?
„Wie – so?“
„Na so bestimmend, irgendwie ...“
„Wenn du damit Probleme hast ...“
„Ne, schon okay“, unterbrach er mich, „ich geh’ dann mal runter zum Auto und hole meine Kisten.“ Ich wartete, bis Leon außer Sichtweite war, dann schnappte ich schnell meine Handtasche und meine Jacke und machte mich aus dem Staube. Diesen Einzug von meinem Nerdkollegen musste ich erst einmal verdauen.
Ich setzte mich auf mein Fahrrad und düste Richtung Stadt, da ich ins Büro wollte, obwohl Sonntag war. Dazu hatte ich mich natürlich nicht entschlossen, weil ich eine super fleißige Redaktionsstreberin war, sondern ich hoffte, Lars dort zu treffen, der oft am Wochenende arbeitete, weil er dann nicht von den „ständigen Telefonanrufen“ gestört wurde. Wir festangestellten Redakteure hatten einen Schlüssel zum Büro, denn es kam sehr oft vor, dass einer von uns außerhalb der normalen Geschäftszeiten noch einmal an den Computer musste, um einen Artikel zu schreiben oder Fotos von der Kamera auf den Rechner zu übertragen. Ich erreichte das Haus, in dem sich unser Redaktionsbüro befand, und sah schon von weitem, dass Lars da sein musste. Sein Cabriolet stand auf einem der wenigen reservierten Parkplätze, die sich direkt vor dem Haupteingang des kastenförmigen, wohl in den 70er Jahren errichteten Gebäudes, befanden. Ich parkte mein Fahrrad um die Ecke und sicherte es mit meinem dicken Zahlenschloss, denn ich hatte immer Angst, dass mir jemand meinen Drahtesel klauen könnte. Mein Rad war nicht schön und auch nicht modern, also kein Rennrad oder Mountainbike, sondern einfach nur ein klassisches Herrenfahrrad ohne großen Schnickschnack. Aber das war vor allem der Grund, warum ich es so gern mochte. Solche Fahrräder wurden offensichtlich gar nicht mehr hergestellt, sondern nur noch diese getunten Modelle mit dreißig Gängen und nach unten gedrehten Lenkstangen, auf denen man saß wie ein Affe auf dem Schleifstein. Ich hatte mein Fahrrad auf dem Sperrmüll gefunden, das war jetzt schon ein paar Jahre her, und es hatte mich so gut wie noch nie im Stich gelassen. Ich musste in dieser Zeit erst zweimal einen Platten reparieren, und das, obwohl ich mit meinem grünlila Fahrrad fast jeden Tag unterwegs war, wenn ich nicht gerade beruflich den Golf fuhr, was ich wegen meines Ökobewusstseins möglichst oft vermied. Ich öffnete die Eingangstür und betrat den Hausflur, dessen Marmorfliesen blitzblank geputzt waren und im Sonnenlicht, das durch die hohen Seitenfenster hineinschien, beeindruckend glänzten. Ein unbekannter Duft drang in meine Nase, Reinigungsmittel war es nicht, sondern irgendetwas Süßliches, Parfüm? Ja, das musste ein Frauenduft sein, wahrscheinlich von Dior oder Chanel, mutmaßte ich. Der Empfangstresen von Gitti war picobello aufgeräumt, das Schälchen mit den Gummibärchen stand randvoll gefüllt schräg gegenüber dem Bildschirm und auf der Ablage lag nur die aktuelle Aprilausgabe von Citylight. Die Tür zum Büro von Lars war verschlossen, und ich überlegte, ob ich nicht kurz klopfen und „hallo“ sagen sollte, aber das kam mir dann doch zu aufdringlich vor. Ich stellte meine Tasche neben meinem Schreibtisch ab und mein Blick fiel auf die Erde des Blumentopfes, in der eine Yucca Palme vor sich hin kümmerte, die unteren Blätter waren schon ganz gelb. Ich schüttete den Rest des kalten Kaffees aus meinem Becher hinein und schaltete den Computer ein, der ein ächzend summendes Geräusch von sich gab, aber nach einigen Sekunden doch hochfuhr. Lustlos bearbeitete ich einige Artikel unserer freien Mitarbeiter, immer ein Ohr auf die Tür von Lars gerichtet, der doch irgendwann einmal hinauskommen musste, oder etwa nicht? Stand vielleicht nur sein Auto vor der Tür, und er war gar nicht da? Dies war schon öfter vorgekommen, denn Lars stellte sein Auto auch vor dem Büro ab, wenn er in die Stadt wollte oder an die
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