Froschkuss (German Edition)
Mensch war, der viel lachte, ein weiterer Pluspunkt. Mein Fazit: Dieser Mann würde viel besser zu Karla passen! Aber wahrscheinlich war meine Freundin so von Karim verblendet, dass sie die Vorzüge von Henning gar nicht erkannte. Ich überlegte kurz, ob es bei mir ähnlich war. Konnte ich mich auf keinen anderen Mann einlassen, weil ich so auf Lars fixiert war? Was wäre, wenn sich mein Verliebtsein als eine Art Fata Morgana herausstellte? Nein, dazu waren meine Gefühle für Lars zu eindeutig. Insofern durfte ich mir auch nicht anmaßen, die Liebe von Karla für Karim in Frage zu stellen.
Henning verteilte den Rest Weißwein auf unsere Gläser und bot mir an, doch „du“ zu sagen, was wir mit einem kleinen Küsschen auf die Wange besiegelten. Hennings Haut fühlte sich weich an und er roch angenehm nach frisch gewaschener Wäsche. Da es aufgehört hatte zu regnen, entschieden wir uns noch ein wenig zusammen zu bleiben und zur NDR-Bühne zu laufen. Auf den Weg dorthin spendierte uns Henning ein Lebkuchenherz. Meins hatte die Aufschrift: „Auf ewig dein“ und Karlas war mit „Ich liebe dich!“ verziert. Nun sahen wir aus wie Touristen, aber das machte uns gar nichts aus, denn es war lustig so herumzulaufen, wie früher, als man mit seinen Eltern auf dem Jahrmarkt gewesen war. Die Luft war mildfeucht und es wehte ein schwacher Wind. Eine Gruppe von betrunkenen Männern, die spitze Bayernzelthüte aus Filz trugen, torkelte uns entgegen, aber Henning stellte sich den Typen in den Weg, woraufhin sie grölend weiterzogen. Wir erreichten die Kieler Kunsthalle und überquerten die Straße, um zum Ostseekai zu gelangen, wo die NDR-Bühne aufgebaut war. Das sonst übliche Gedrängel hielt sich in Grenzen, wahrscheinlich wegen des Regens, aber auch weil keine Top-Band spielte, sondern „nur“ eine ganz passable Cover-Band. Der ganze Platz wurde von der riesigen, bunt beleuchteten Bühne dominiert, vor der dicht gedrängt Menschen standen und zum Takt der Musik mitwippten. Direkt am Kai hatte ein großes weißes Kreuzfahrschiff angelegt. Henning bugsierte uns zu einem Erdbeerbowle-Stand, der unter einem spitzen weißen Zeltdach stand, genau so wie die übrigen Stände, an denen man Brezeln, Pommes und Fischbrötchen kaufen konnte. Wir trugen unsere Gläser mit Sekt und frischen Erdbeeren zu einem freien Stehtisch und lauschten der Musik. Die Band spielte die aktuellen Charts rauf und runter, was beim Publikum nicht unbedingt zu Begeisterungsstürmen führte. Aber das Kieler Woche-Publikum war mittlerweile verwöhnt, denn hier traten eben ganz andere Musikgrößen auf. Vor uns standen drei Japaner mit der obligatorischen Sony-Digitalkamera in der Hand und fotografierten, was das Zeug hielt. Henning und Karla unterhielten sich, indem sie ihre Köpfe eng zusammensteckten, und ich kam mir irgendwie etwas überflüssig vor und überlegte, ob ich mich nicht einfach verabschieden sollte. Am nächsten Tag wollte ich früh ins Büro, um den Artikel über das Speed-Dating noch einmal zu vollenden, der auf jeden Fall noch in die Juliausgabe mit rein sollte. Ich stellte mein Glas ab und drehte mich zu meinen Begleitern, aber da hob Henning die Hand, um sich zu verabschieden. „War nett mit euch beiden“, schrie er, „vielleicht sehen wir uns ja bald mal wieder!“
Karla und ich blieben noch ein paar Minuten, aber dann hatten wir genug und machten uns auf den Weg zum Schlossgarten, um noch etwas zu essen, denn die paar Scampis hatten nicht richtig satt gemacht. Wir fanden an einem Holztisch mit Bänken einen freien Platz, und ich holte uns zwei Pommes mit Majo; das muss auch einmal sein. „Der ist echt nett, dieser Henning“, sagte ich, nachdem ich Platz genommen hatte.
Karla saß mir gegenüber und spießte zwei Pommes auf. „Ja, das stimmt, er ist ein netter Kollege.“
„Ist der eigentlich verheiratet?“
„Ne, glaube ich nicht. Er hatte bis vor kurzem eine feste Beziehung, auch eine Ärztin soviel ich weiß, aber die hat bei einer Fortbildung einen anderen Mann kennen gelernt und ist wohl jetzt mit dem verheiratet und sogar schwanger.“
„Weißt du das von ihm?“
Karla schüttelte ihr langes Haar. „Nein, so gut kennen wir uns nun auch nicht. Das hat mir Schwester Doro unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt.“
Ich grinste. „Ach so, eure Tratschtante vom Dienst, dann sind ja jetzt alle bestens im Bilde.“
Karla nickte: „Du sagst es!“ Sie schob ihren Pappteller mit Pommes beiseite. „Ich kann
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