Froschkuss (German Edition)
„Wundere dich nicht“, sagte Sophie, „Dominic hat das Haus von seiner Tante geerbt. Die Wohnung über ihm ist aber vermietet.“ Manche Leute haben aber auch immer ein Glück, dachte ich. Ein Haus erben und dann mietfrei wohnen, das würde meine mickrige finanzielle Situation erheblich verbessern. Kurz musste ich daran denken, dass mein Zeitvertrag bei Citylight im Oktober ablief und sich Lars immer noch nicht wegen der Verlängerung geäußert hatte. Wenn ich arbeitslos würde, könnte ich die Miete für meine Wohnung auf Dauer nicht mehr bezahlen. Auch nicht, wenn sich jemand, wie zur Zeit Leon, an den Kosten beteiligen würde. Sophie klingelte an der Tür und es dauerte recht lange, bis sie geöffnet wurde (wahrscheinlich waren schon alle Anwesenden im Tupperwarenrausch). Dominic begrüßte Sophie lächelnd und blickte mich dann fragend an.
„Sonia würde auch gern mitmachen“, erklärte ihm Sophie. „Du hast doch nichts dagegen?“
„Nein, natürlich nicht“, entgegnete er und ließ uns in den schmalen braun gefliesten Flur eintreten. „Je mehr mitmachen, desto besser.“ Er forderte uns auf, ihm ins Wohnzimmer zu folgen, in dem mehrere Frauen um die 30 bereits schnatternd auf dem Sofa und den drei Sesseln aus braunem Leder saßen. Der Raum war in warmen Brauntönen gestaltet: Es gab einen alten Schrank, in dem Porzellan und Silberbesteck blitzten, eine Sideboard mit großem Flachbildschirm-Fernseher und ein wandfüllendes Regal, das mit Hunderten von Büchern gefüllt war, die teilweise wegen Platzmangels in zwei und auch in drei Reihen einsortiert und gestapelt waren. Lange Wildseidenvorhänge in Mokkabraun verbreiteten eine heimelige Atmosphäre. Dominic stellte uns den bereits anwesenden Frauen und einer älteren fülligen Dame im blauen Hosenanzug vor: „Tina Ölscher“, begrüßte sie uns händeschüttelnd, „ich bin die Tuppertante.“
Sophie und ich setzten uns zu den anderen Frauen, die ein Stück beiseiterückten, uns gut gelaunt begrüßten und gleich ausfragten, woher wir den Dominic kennen würden. Frau Ölscher stellte sich vor den Tisch schräg gegenüber unserer Sitzgruppe, auf dem sie Tupperdosen, -schüsseln, -becher, -teller und verschiedene andere Utensilien zu einem bunten Berg aufgebaut hatte. „Meine Damen“, begann sie und deutete auf ihr Angebot: „Ich möchte jetzt um ihre Aufmerksamkeit bitten.“ Sofort war es mucksmäuschenstill im Raum und alle anwesenden Frauen blickten erwartungsvoll zu Frau Ölscher, die sich zunächst für die Einladung bedankte. Dominic, der heute ein weißes Hemd und einen blauen fusseligen Pullunder trug, nickte begeistert. Seine Wangen glühten rot und er sah aus wie jemand, der es gar nicht abwarten konnte, dass es losging. Dass er der einzige Mann in dieser Runde war, schien ihn nicht zu stören. Meine Nachbarin, eine dünne Frau mit spitzer Nase und schmalen Lippen, schob mir ein Glas mit Prosecco und eine Schüssel mit Nüssen zu. „Danke“, sagte ich leise und griff hungrig zu.
Frau Ölscher hob ein blaues Plastikteil mit einer Kurbel in die Höhe, mit dessen Hilfe sie „in nur wenigen Sekunden“ einen leckeren Nachtisch zaubern wolle. Sie schüttete gefrorene Früchte aus der Tüte und etwas Puderzucker in den unteren Teil des Gerätes, schraubte den Deckel drauf und drehte mit geübtem Griff die Kurbel, wodurch ein knirschendes Geräusch entstand. Ein entzücktes Raunen breitete sich in dem Raum aus, und als Frau Ölscher ein cremiges Sorbet auf bunte IKEA-Plastikteller verteilte, klatschten alle Beifall. Jeder durfte probieren, auch ich, und ich musste sagen, das Zeug schmeckte wirklich lecker: süß, eiskalt und fruchtig. Meine Nachbarin stupste mich erregt an: „Den müssen Sie unbedingt kaufen“, forderte sie mich auf, „ich habe den Chef ja schon.“ Sie machte ein trauriges Gesicht. „Leider! Aber vielleicht finde ich heute noch etwas anderes.“ Ich wollte nicht als totaler Trottel dastehen, deshalb sagte ich ihr, dass ich ihr ganz doll die Daumen drücken wolle und fragte sie nicht, was sie mit Chef gemeint hatte. Denn bei diesem Wort hatte ich nur ein Bild im Kopf. Leider.
26. Kapitel
Als Sophie mich nach der Tupperparty nach Hause fuhr, war es schon fast elf Uhr. Ich hielt mit beiden Händen mein Willkommensgeschenk, ein praktisches Kombibehältnis zum Abmessen und Aufbewahren von Zutaten wie, Mehl, Milch und Zucker, in den Händen. Dass ich eigentlich nicht kochen und backen konnte, hatte ich während der
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