Frost, Jeaniene
jetzt noch eine Rolle, oder?«
Oliver
bremste genug ab, um Nathanial einen durchdringenden Blick zuzuwerfen. »Sprich nicht weiter mit ihr«, sagte er.
»Hör auf
damit!«, rief Denise aus. »Lass ihn reden.«
»Spade
will nicht ...«
»Ich weiß,
dass Spade nicht will, dass ich mit ihm rede«, unterbrach Denise ihn. »Aber
selbst zum Tode verurteilte Gefangene haben das Recht auf ihre letzten Worte.«
Dann
schenkte sie Nathanial einen ermutigenden Blick. »Du hast meine Frage nicht
beantwortet. Warum hast du es getan? Hattest du auch nur die geringste Ahnung,
was deine Entscheidung mich am Ende gekostet hat? Auf der Suche nach dir hat
Rom wer weiß wie viele Mitglieder meiner Familie ermordet. Er hat
gedroht, auch noch die wenigen zu töten, die noch übrig sind, und hat mich gezeichnet, um mich dazu zu zwingen, dich zu suchen. Du verdienst es, reden zu
dürfen, aber ich verdiene es zu wissen, was der Grund für all das war.«
»Ich hatte
keinen guten Grund dafür. Damals, in den i86oern, war ich ein bettelarmer
Bauer, der über das Okkulte gestolpert ist, als ein fieberkranker Priester bei
mir zu Hause lag. Während seiner Anfälle sprach er von Dämonen. Doch das hat
mir keine Angst gemacht; im Gegenteil. Es hat mich fasziniert. Ich hatte schon
immer davon geträumt, mehr zu sein, als ich war, und der Priester gab mir
unwissentlich die Werkzeuge dafür in die Hand, das zu erreichen. Als es ihm
besser ging, habe ich ihn mit List und Tücke dazu gebracht zu glauben, ich
wolle ihm bei seiner Arbeit helfen, doch in Wahrheit wollte ich bloß wissen,
wie man einen Dämonen beschwört und einfängt.«
Nathanial
hielt inne und seufzte. »Ich war neunzehn. Jung, dumm und arrogant. Nachdem ich
Rom beschworen und einen Pakt geschlossen hatte, um ein langes Leben und Macht
zu erlangen, schickte ich ihn wieder dorthin zurück, woher er kam. Ich dachte,
niemand würde deswegen Schaden nehmen. Dann fand ich jedoch heraus, dass ich
die Auswirkungen seiner Male nicht kontrollieren konnte. Ich hatte mächtig
sein wollen, aber ich wollte mich dazu nicht in Monster aus meinen Alpträumen
verwandeln. Ich suchte den Priester auf, den ich hintergangen hatte, und flehte
ihn an, mir zu helfen. Gemeinsam kamen wir dahinter, wie man die Auslöser für
die Verwandlung im Zaum hält und wie ich kontrollieren konnte, in was ich mich
verwandelte, falls das immer noch nicht genügte. Als er starb, hinterließ er
anderen Priestern Anweisungen, mir zu helfen. Einer von ihnen war es, der mir
von den Vampiren erzählte, und wie es einem Vampirdämonologen vielleicht
möglich wäre, meine Male zum Schweigen zu bringen, für den Fall, dass Rom
jemals zurückkehren würde. Ich bekam die Tätowierungen und dachte ... Damals
dachte ich, ich wäre vielleicht in der Lage, ein halbwegs normales Leben zu
führen. Doch der Vampir, der mich zu den Dämonologen brachte, wusste, dass mein
Blut sich verändert hatte. Und nachdem ich die Tätowierungen bekommen hatte,
verkaufte er mich an Web.«
»Du hast
deine Seele einem Dämon verkauft. Sie nicht«, sagte Oliver ohne Mitleid. »Du
verdienst, was dir bevorsteht. Sie hingegen verdient, von diesem Fluch befreit
zu werden.«
»Ich weiß,
dass ich es verdiene!«, rief Nathanial. »Ihr habt keine Ahnung, wie oft ich mir
gewünscht habe, die Uhr zurückdrehen zu können, um diesen Pakt niemals
geschlossen zu haben, aber das habe ich nun mal getan. Die ganzen letzten
siebzig Jahre mit Web über war das Einzige, das mich trotz der Schrecken, die
ich in dieser Zeit ertragen musste, und ungeachtet der erniedrigenden Dinge,
die sie mir antaten, bei klarem Verstand hielt, das Wissen, dass es immer noch
schlimmer sein könnte.« Seine Stimme brach vor Kummer. »Und jetzt wird es
geschehen, und ich weiß, dass es bloß das ist, was ich verdiene, aber das
ändert nichts daran, dass ich große Angst davor habe.«
Denise
dachte an ihre ermordeten Cousins und Tanten, an ihre Eltern und an Roms heulende
Drohungen, dass er den Rest ihrer Familie umbringen würde, wenn sie ihm nicht
den Mann zurückbrachte, der auf der Rückbank neben ihr saß. Dann dachte sie an
Randys tapferes Lächeln, bevor er durch diese Kellertür hinausging, und an die
Schuldgefühle und die Feigheit, die sie seitdem erfüllten.
»Wenn du
dir alles wünschen könntest, was du willst, was wäre das?«, fragte sie
Nathanial leise.
»Das ist
leicht.« Seine Stimme war ein Krächzen. »Ich möchte leben, ohne Angst zu
haben, missbraucht zu werden oder
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