Frost, Jeaniene
darf
ich abstellen, der Herr?«
»Vor der
Dame«, antwortete Spade und schloss die Tür.
Er wartete
ab, bis der junge Mann die Speisen aufgedeckt und der über die Vielfalt
verblüfften Denise die Menüauswahl vorgetragen hatte. Als er sich mit höflich
erwartungsvollem Gesicht wieder an Spade wandte, wandte der seinen
Hypnoseblick bei dem Etagenkellner an.
»Was
machst du da?«, keuchte Denise.
Spade ging
nicht auf sie ein, seine Aufmerksamkeit galt allein dem pulsierenden Blutgefäß,
das ihn lockte. Ein kurzes Einstechen der Reißzähne in die Kehle des Jungen,
und der köstliche, nährende Saft quoll hervor. Spade schluckte nicht gleich,
sondern ließ den Puls unter seinen Lippen dafür sorgen, dass ihm der Mund
volllief, den er fest um die Wunde geschlossen hatte, damit kein einziges rotes
Tröpfchen daneben ging.
Denise
starrte ihn an; sie wirkte deutlich verunsichert. Spade schenkte ihr einen
wütenden Blick und hoffte, dass sie keine Dummheit begehen und etwa schreien
würde. Was sie auch nicht tat. Nur ihre Hand fuhr zu ihrem Mund, als müsste sie
sich schwer zusammenreißen, um es bleibenzulassen.
Nach dem
vierten Schluck ließ der bohrende Hunger in Spade nach. Er löste den Mund von
der Kehle des Jungen, fing die aus der Wunde quellenden Tröpfchen mit der Zunge
auf und schloss die Einstiche, indem er sich den Daumen an einem seiner
Reißzähne aufschlitzte und ihn auf die Einstiche drückte, damit sein Blut die
Wunden schließen konnte. Sofort waren sie verschwunden.
»Du hast
das Essen gebracht und bist gegangen. Sonst ist nichts passiert«, flüsterte
Spade dem jungen Mann zu und drückte ihm einen Zwanziger in die Hand.
Der
nickte, das künstliche Lächeln trat wieder auf sein Gesicht, während die
Erinnerung an das Geschehene unter Spades Hypnoseblick verblasste. »Schönen
Abend, der Herr«, verabschiedete er sich.
»Vielen
Dank. Ich rufe an, wenn die Dame zu Ende gespeist hat.«
Spade
schloss die Tür. Denise starrte ihn noch immer ganz entgeistert an. »Du hast
ihn gebissen. Du hast nicht mal ... du hast ihn einfach gebissen.«
Er zuckte
mit den Schultern. »Nicht nur du hattest Hunger.«
»Aber ...«
Ihr schienen noch immer die Worte zu fehlen.
»Du hast
über einen Monat lang bei Cat und Crispin gewohnt; hast du ihn nie Blut saugen
sehen?«
»So was
hat er doch nicht vor mir gemacht!«, rief Denise, als wäre
die Vorstellung völlig absurd.
Spade
verdrehte die Augen. Grundgütiger, Crispin war offenbar wirklich zur Memme
geworden. »Du wirst dich dran gewöhnen müssen, ich habe nämlich nicht vor zu
verhungern.«
Denise sah
auf das kälter werdende Essen vor sich hinab. »Ich glaube, mir ist der Appetit
vergangen«, murmelte sie.
Spade
verkniff sich eine patzige Antwort. Sie hatte einen schrecklichen Tag hinter
sich, da musste er sie nicht auch noch anmaulen.
»Nimm du
das Bett. Ich schlafe im Sessel«, verkündete er und zog sich das Hemd aus.
Er war
gerade dabei, seine Hose zu öffnen, als Denises Gesichtsausdruck ihn innehalten
ließ. Ach ja, Menschen und ihr dämliches Schamgefühl. Lang war es her, seit er
das letzte Mal Umgang mit gewöhnlichen Sterblichen gehabt hatte. Die, mit
denen er sich umgab, waren mit den Sitten und Gebräuchen von Vampiren
vertraut. Er würde sich erst wieder an die menschlichen Verhaltensnormen
gewöhnen müssen.
»Ich habe
dir das alles hier aufgehalst«, beharrte sie stur. »Ich nehme den Sessel.«
Fast hätte
er wieder die Augen verdreht. Als könnte er zulassen, dass eine Dame mit einem
unbequemen Sessel vorliebnahm, während er es sich im Bett gemütlich machte.
»Nein.«
»Mir wäre
es angenehmer, wenn ...«
»Ich habe
Nein gesagt«, schnitt er ihr das Wort ab. »Und ich darf dich noch einmal
bitten, mir wenigstens den Gefallen zu tun, dich nicht auch noch wegen jeder
Kleinigkeit mit mir anzulegen, wenn ich dir schon helfe.«
Frustration
und Trotz kämpften um die Oberhand in ihrem Gesicht, aber sie sagte nichts. Na also,
Darling. Vielleicht lässt es sich ja doch mit dir aushalten.
»Schlaf
schön, Denise.«
4
Als Denise
aufwachte, hörte sie eine Stimme mit britischem Akzent. Kurz war sie verwirrt.
Hatte sie den Fernseher angelassen? Dann erinnerte sie sich an den
alptraumhaften Tag, den sie hinter sich hatte. Paul,
ermordet. Sie selbst, gezeichnet von einem Dämon. Der Mann, zu dem die Stimme
gehörte, ein Vampir, der nichts mit ihr zu tun haben wollte, aber die einzige
Hoffnung für ihre Familie darstellte.
»Ah,
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