Frost, Jeaniene
antwortete.
»Aber so
habe ich das nicht gewollt!«, rief sie; die Spannung der letzten Tage ließ
auch ihre Stimme schneidend werden.
Spade warf
ihr einen kurzen, aber durchdringenden Blick zu. »Als du mich in diese Sache
mit hineingezogen hast, wusstest du nicht, was das für Konsequenzen haben
würde, ich aber schon, und ich habe mich trotzdem bereit erklärt.«
Ihr
schlechtes Gewissen wuchs. Alles an dieser Sache war falsch. So falsch. »Was,
wenn es Monate dauert, bis wir ihn finden?«
Der
Gedanke war ihr unerträglich, aber ihre anfängliche, naive Hoffnung, Nathanial
wäre schnell gefunden, sobald ihr ein einflussreicher Fürsprecher aus,der Welt
der Untoten zur Seite stand, hatte sich inzwischen zerschlagen. Spade hatte
Tausende von Sippenmitgliedern. Wie viele andere Meistervampire gab es, deren
Tausende von Sippenmitgliedern überall auf dem Erdball verstreut lebten?
»Dann
dauert es eben so lange«, antwortete Spade in nüchternem Tonfall. »Ich stehe
das durch bis zum Ende, wie versprochen.«
Vielleicht
blieben ihr gar keine Monate mehr, bis sie selbst zum Monster wurde. Die
Hilflosigkeit, die sie empfunden hatte, verwandelte sich in Wut. Wenn sie
Nathanial tatsächlich fand, würde sie ihn für alles büßen lassen, was sie,
ihre Familie und Spade seinetwegen hatten erdulden
müssen.
Dann
verrauchte ihr Zorn und ließ ein dumpfes Gefühl der Angst zurück. Es
geschieht genau jetzt. Tag für Tag verwandelt sich ein kleiner Teil von mir. Die
Erkenntnis erschreckte sie.
»Vielleicht
haben wir heute Abend Glück«, meinte sie und zwang sich, ihre Stimme
optimistischer klingen zu lassen, als ihr zumute war.
»Vielleicht«,
sagte auch Spade.
Er klang
genauso wenig überzeugt.
Denise
hatte die Fäuste geballt, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor. Der Geruch
ihrer Angst erfüllte das Taxi, überlagerte den Gestank nach altem Schweiß,
Parfüm und Erbrochenem, der über der Rückbank hing. Der Wagen machte einen
neuerlichen Schlenker, wechselte die Fahrspur und entging dabei nur knapp dem
Zusammenstoß mit einem anderen Wagen, der in dieselbe Richtung unterwegs
gewesen war. Denise wurde so bleich, dass ihre Gesichtsfarbe fast an die von
Spade herankam.
»Könnten
Sie das Gas vielleicht ein bisschen dosierter einsetzen?«, wandte Spade sich
an den Fahrer. Die arme Denise saß zum ersten Mal in einem New Yorker Taxi.
Allem Anschein nach wünschte sie sich, es wäre auch ihr letztes Mal.
»Was
is'?«, wollte der Fahrer wissen. Er sprach mit ausgeprägtem ausländischem
Akzent. So laut, wie der Mann das Radio aufgedreht hatte, war es kein Wunder,
dass er Spade nicht verstand.
Spade
konnte den Akzent richtig einordnen. »Possao ir devagar guiar, por favor?«,
erkundigte er sich noch einmal, diesmal lauter.
Der Fahrer
schenkte ihm ein breites Lächeln, das sein ungepflegtes Gebiss erkennen ließ.
»Oh, fala portuguesa? Nenhum problema«, rief er und stieg vom Gas.
»Was für
eine Sprache war das?«, erkundigte sich Denise, die jetzt so weit abgelenkt
war, dass sie die Finger entkrampfte.
»Portugiesisch.«
Sie schien
beeindruckt zu sein. »Ich hätte auch gern mehr Fremdsprachen gelernt, aber ich
beherrsche nur noch ein paar Brocken Spanisch aus der Highschool. Wann hast du
Portugiesisch gelernt?«
»Während
meiner Zeit in Portugal«, antwortete er, amüsiert über ihr überraschtes
Gesicht.
»Oh«,
sagte sie leise. »Ich war noch nie in Europa. Im Grunde bin ich noch nie aus
Amerika rausgekommen, nur einmal nach ...«
Sie
verstummte, und ihre Miene verdüsterte sich. Nur einmal
nach Kanada, vollendete Spade ihren Satz im Stillen. Wo dein
Mann ermordet worden ist.
»Denk an
die Rolle, die du heute Abend zu spielen hast«, wies Spade sie an. Nicht etwa,
weil er sie für vergesslich hielt, sondern um sie abzulenken. »Ich muss
vielleicht mal kurz weg, aber du kannst dich solange an Ian halten.«
»Ich traue
ihm nicht«, wandte Denise, sofort ein.
Spade
schnaubte. »Solltest du auch nicht, aber er wird nicht versuchen, dich zu
hypnotisieren oder auszusaugen.
Da, wo wir
hinwollen, wimmelt es nur so von wildfremden Vampiren, also bist du bei ihm
noch am sichersten.«
Spade
glaubte zwar kaum, dass für Denise ernsthaft Gefahr bestand, aber er wollte
trotzdem, dass sie sich vorsah. Keiner von beiden sprach aus, was sonst noch
passieren konnte - dass Denise unter den gegebenen Umständen wieder eine
Panikattacke bekam. Die besten Chancen, Nathanial zu finden, hatten sie, wenn
sie Denise mit
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