Frost, Jeaniene
allerdings
eher, um mit seinen Lippen ihrer Haut näher zu kommen als aus Angst vor
Lauschern.
»Ja. Ich
... wir ... haben vor der Hochzeit Unterricht genommen«, antwortete sie.
Kurz trat
ein Anflug von Kummer in ihr Gesicht, aber als Spade sie an sich zog,
verschwand er schnell wieder und wich einer Art unterdrückter Erregung. Und die
hatte nichts mit der Erinnerung an ihren ermordeten Ehemann zu tun.
»Ich habe
es als Kind gelernt. Vom Sohn eines Adligen erwartete man einfach, dass er
Walzer tanzen, reiten, schießen und seine Ländereien versorgen konnte.« Beim
Sprechen wiegte Spade sie im Takt der gemessenen Klänge, ließ ihr Zeit, sich
dem Rhythmus anzupassen und in die Schritte hineinzufinden.
»Ich kann
mir dich so schwer als Kind vorstellen.« Ihre Maske konnte die Neugierde in
ihrem Gesicht nicht verbergen. »Wie war das damals?«
»Die
Umstände waren anders.« Er schenkte ihr ein müdes Lächeln. »Aber die Menschen
ändern sich nicht, nicht einmal über Jahrtausende. Als ich ein Kind war,
drehte sich alles um Titel, Grundbesitz und die Gunst des Königs. Heute geht es
um Hochschulabschlüsse, Jobs und Rentenvorsorge. Das Ziel bleibt immer das
gleiche: für die Seinen Sorge zu tragen; sie vor Unheil zu schützen; zu
versuchen, für sich selbst ein bisschen Glück herauszuschlagen. So war es
damals, und so ist es bis heute geblieben.«
Denise
sagte eine Weile gar nichts. Spade betrachtete sie ganz offen. Sie trug das
Haar hochgesteckt, aber einige Strähnen waren bewusst ausgespart worden und
wippten jetzt bei jedem ihrer Schritte im Takt der Musik. Ihre Maske bedeckte
ihre Augenpartie und endete in einem Bogen über ihren Wangenknochen, sodass die
untere Gesichtshälfte unbedeckt blieb. Nachdenklich fuhr sie sich mit der
Zunge über die Unterlippe, ohne sich dabei bewusst zu sein, wie sehr diese
einfache Geste ihn erregte.
»Und Bones
hast du auf der Überfahrt in die Strafkolonie kennengelernt.« Sie senkte die
Stimme. »Darf ich dich fragen, wofür du verurteilt wurdest, falls das nicht zu
persönlich ist?«
Es war zu
persönlich. So persönlich sogar, dass nicht einmal Crispin die ganze
Geschichte kannte.
»Mein
Vater war ein anständiger Mann. Streng vielleicht, aber das war damals nicht
unüblich. Er hatte allerdings eine Schwäche: das Glücksspiel. Heute würde man
ihn als süchtig bezeichnen, aber damals hielt man seine Krankheit lediglich
für einen Mangel an gesundem Urteilsvermögen. Als ich fünfundzwanzig war, stand
ihm das Wasser schon bis zum Hals. Ich war sein einziger Sohn, sein Erbe,
sodass ich nicht zur See fahren oder zum Militär gehen konnte, um für seine
Schulden aufzukommen. Ich wählte also den einzig möglichen Ausweg - ich
heiratete eine reiche Erbin.«
Denise
hielt im Tanzen inne. »Du bist verheiratet?«, platzte
es aus ihr heraus.
Mehrere
Köpfe drehten sich zu ihnen um, und Denise wurde rot. Spade musste sich das
Lachen verkneifen.
»Als
Mensch, Darling. Die Frau lebt schon lange nicht mehr.«
Die
Vampire um sie herum begannen wieder zu tanzen. Für die Untoten war die Ehe
eine viel ernstere Angelegenheit als für die Menschen. Wäre Spade nach
vampirischem Recht verheiratet gewesen, hätte er damit Denises Leben aufs Spiel
gesetzt. Auf Ehebruch stand die Todesstrafe, falls der betrogene Gatte nicht
ausdrücklich davon absah, von seinem Recht auf Vergeltung Gebrauch zu machen.
Bei der langen Lebenserwartung, die Vampire hatten, war es demnach kein
Wunder, dass sie so selten verheiratet waren. Den Menschen bereitete die Ehe
schon genug Probleme, dabei mussten sie es höchstens ein halbes Jahrhundert
miteinander aushalten.
Denises
Wangen waren noch immer so rot, dass es unmöglich vom Make-up kommen konnte.
Spade störte sich nicht an ihrem kleinen Fauxpas, er gefiel ihm sogar. Hätte
die Vorstellung, er könnte verheiratet sein, keine Eifersucht in ihr
hervorgerufen, hätte er ihr weniger bedeutet als erhofft.
»Du hast
diese Frau wegen ihres Geldes geheiratet?«, flüsterte Denise; ihr Tonfall gab
deutlich zu verstehen, wie verabscheuenswürdig sie das fand.
Er beugte
sich zu ihr. »Sie hat mich wegen meines Titels geheiratet«, antwortete er
ebenfalls flüsternd. »Es war für uns beide nicht mehr als ein Geschäft, das
kann ich dir versichern.«
»Hast du
sie geliebt?«
Kaum hatte
Denise zu Ende gesprochen, stockte ihr der Atem, und sie sah verlegen weg.
Offenbar bereute sie ihre Frage.
Er nicht,
und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem ihm ihre
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