Frost, Jeaniene
sie war eine Sterbliche.
Man muss ein Vampir sein, um einen Vampir heiraten zu können, und Giselda
wollte sich nicht verwandeln lassen.«
Lyceum
murmelte etwas auf Französisch, woraufhin Bootleg nickte. Denise brauchte keine
Übersetzung, um zu wissen, dass er sich abfällig über Giseldas Entscheidung geäußert
hatte.
»Und?«,
drängte sie, eine düstere Vorahnung hatte sie überkommen.
»Spade
wurde zu seinem Herrn gerufen, dem er in einem Disput beistehen sollte. Er nahm
Giselda nicht mit, weil er befürchtete, es könnte zu einem Krieg zwischen
seinem und dem anderen Meister kommen. Sie sollte auf ihrem Gut bleiben.
Wochen später allerdings, als Spade ihr hatte mitteilen lassen, dass alles gut
gegangen war und er bald zurückkommen würde, beschloss Giselda, zu ihm zu
reisen. Sie schickte einen Boten voraus, der ihr Kommen ankündigte.«
Bootleg
warf Denise einen Seitenblick zu, der sie vor Ungeduld fast dazu brachte, ihm
eine Ohrfeige zu verpassen. »Weiter«, drängte
sie.
»Unterwegs
hatte ihre Kutsche einen Schaden oder wurde angegriffen, ich weiß es nicht
genau. Ich weiß nur, dass Giselda von einer Horde französischer Deserteuere
vergewaltigt wurde - ob vor oder nach ihrer Ermordung, weiß ich nicht«,
berichtete Bootleg unumwunden. »Als sie zum angekündigten Zeitpunkt nicht bei
ihm war, ist Spade sie suchen gegangen. Im Wald hat er ihre Leiche gefunden.«
Denise
wurde schlecht, als die Erkenntnis sie überkam. Warum
musstest du ihn umbringen?, hatte sie Spade Monate zuvor
angesichts ihres toten Angreifers auf dem Parkplatz gefragt. Wegen
ihrer Pläne. Solche Menschen haben kein Recht weiterzuleben. Dann Ians
Feststellung: Einer Sterblichen gegenüber habe ich Charles seit
fast hundertfünfzig Jahren nicht mehr so zuvorkommend erlebt ... Hat er dir
noch nicht von ihr erzählt? Und eine Woche zuvor in Nevada: Du weißt
gar nicht, wie gut ich dich verstehe ...
Spade
kannte wie sie den Schrecken, die geschundene Leiche eines geliebten Menschen
finden zu müssen. Die unbeschreibliche Hilflosigkeit, das Leid und die Wut,
die einen überkamen.
Wollte
Spade sich deshalb nicht mit Sterblichen einlassen? Sie beide hatten wirklich
viel gemeinsam. Wegen Giselda mied Spade Beziehungen zu Menschen, und Denise
hatte wegen Randy einen großen Bogen um die Welt der Untoten gemacht. Was für
eine Ironie des Schicksals, dass sie ihrer jeweiligen Vorbehalte zum Trotz doch
zueinandergefunden hatten.
»Cherie, nicht
weinen«, ermahnte Lyceum sie sanft. »Das ist lange her.«
Denise
fuhr sich mit der Hand über die Wange und merkte erst da, dass sie feucht war.
»Verzeihung. Ich ... ich weiß zufällig selbst, wie das ist«, schloss sie und
wischte sich auch noch die andere Wange trocken.
»Wir sind
froh, dass du da bist«, schaltete Bootleg sich ein und lächelte sie an. »Es tut
gut, Spade endlich wieder glücklich zu sehen. Mann, wenn du erst verwandelt
bist, macht er Luftsprünge.«
Wieder
erstarrte Denise.
»Und
warum, glaubt ihr, sollte ich das wollen?«
Webs
Anwesen lag direkt zwischen Monte Carlo und La Rousse. Zweifelsohne hatte er
sich den hoch gelegenen Punkt eher aus strategischen als aus ästhetischen
Gründen ausgesucht. Was allerdings nichts daran änderte, dass der griechisch
anmutende Bau auf dem felsigen Hügel wirklich beeindruckend wirkte. Die diskret
platzierten Scheinwerfer, die Pflanzen und Haus beleuchteten, taten ein
Übriges, aber Spade war klar, dass auch sie nur der Sicherheit dienten. Sie
strahlten alle Zugänge zum Haus an, was Spade vermuten ließ, dass Web neben
seinen vampirischen Wachleuten auch Menschen beschäftigte. Vampire hätten auch
ohne die Scheinwerfer gut gesehen.
»Aus den
Gedanken der Menschen, die hier wohnen, kann ich ablesen, dass einem Mann im
Keller regelmäßig Essen gebracht wird. Die Treppe erreicht man durch eine
Geheimtür in einer Gefrierkammer«, flüsterte Crispin. »Fabian, such die
Gefrierkammer und sieh dir das mal an. Ian, weißt du noch, ob es irgendwann mal
kalt war, als man dich zu dem Menschen gebracht hat?«
»Nein,
aber untertags, wenn er Essen bekommt, ist der Typ sicher woanders als nachts,
wenn er Kunden hat.«
»Da ist
was dran«, meinte Alten.
»Ich geh
suchen«, versprach Fabian.
Der Geist
schoss in Richtung Haus davon, durch Bäume hindurch und schließlich auch durch
die Wände.
Falls
Fabians Gegenwart den Wachleuten überhaupt auffiel, würden sie ihn nicht für
einen Späher, sondern höchstens für ein heimatloses
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