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Frost

Frost

Titel: Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Rector
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sah ich ein winziges rotes Licht in der Dunkelheit des Parkplatzes schweben. Erst glaubte ich, meine Augen spielten mir einen Streich, aber dann wurde das Licht immer heller, und ich erkannte ein Männergesicht in seinem Widerschein.
    Erst verstand ich nicht, was ich da sah, aber dann flog das rote Licht durch die Luft und landete weich im Schnee.
    Eine Zigarette.
    Eine Sekunde später öffnete sich die Tür gegenüber, und jemand ging hinein. Ich blieb noch einen Moment stehen und hoffte, dass ich mich getäuscht hatte, aber ich wusste, dass das nicht stimmte.
    Jemand hatte mich beobachtet.
    ***
    Sara öffnete die Tür und wich sofort zurück.
    «O Gott!»
    Ich ging direkt zu meiner Reisetasche, die neben dem Bett lag. Hastig wühlte ich nach meinen Tabletten und versuchte, das Fläschchen zu öffnen, aber meine Finger waren steif vor Kälte, und ich kriegte den Deckel nicht auf.
    Sara nahm mir das Fläschchen aus der Hand, öffnete es und gab mir zwei Tabletten.
    Ich würgte sie trocken hinunter und sagte: «Mehr.»
    Sie nahm noch zwei Tabletten heraus.
    Ich schluckte sie und ließ mich dann auf die Bettkante fallen.
    «Geht’s wieder?»
    Ihre Stimme war weich. Sie wusste Bescheid.
    Ich beugte mich vor und versuchte, meine Stiefel aufzuschnüren. An den Sohlen klebten Eis und Schnee. Meine Finger ließen sich einfach nicht bewegen.
    «Zieh mir die Stiefel aus.»
    Sara bückte sich, klopfte den Schnee ab und öffnete die Schnürsenkel. Dann zog sie mir die Stiefel und die durchnässten Socken aus. Meine Füße waren ganz taub.
    Ich versuchte, mich hinzustellen.
    «Was machst du denn da?»
    «Bad», sagte ich.
    Sie half mir auf und nahm zwei Kerzen vom Nachttisch.
    «Kein Licht.»
    «Es sind doch nur Kerzen.»
    «Kein Licht.»
    Sara legte die Kerzen wieder zurück, brachte mich ins Badezimmer und fragte, ob sie mir helfen solle.
    Ich antwortete, dass ich es auch allein schaffen würde.
    Sie blieb noch einen Moment unschlüssig stehen, dann schloss sie die Tür hinter sich.
    Im Badezimmer war es jetzt stockdunkel. Nur durch ein winziges Milchglasfenster unter der Decke drang ein wenig Helligkeit. Es war kalt und grau, wie Mondlicht.
    Ich beugte mich über die Wanne und ließ heißes Wasser einlaufen. Dann zog ich mich aus und stieg hinein.
    Ich hielt die Augen geschlossen, bis der bohrende Schmerz in meinem Kopf nachließ, und schaute durch den Wasserdampf hoch zum Fenster.
    Das heiße Wasser verbrannte mir fast die Haut, aber ich zitterte immer noch. Nebel senkte sich über mein Bewusstsein. Das kam von den Tabletten, ich kannte das schon. Sie ließen mich die Welt langsam vergessen.
    Ich genoss es.
    Als meine Kopfschmerzen endlich fort waren, tauchte ich unter. Die Stille unter Wasser war wundervoll. Ich hätte ewig die Luft anhalten können.
    ***
    Als ich die Augen wieder öffnete, war das Wasser längst kalt geworden. Ich zog den Stöpsel, nahm mir ein Handtuch vom Halter und schlang es mir um die Hüften. Dann stützte ich mich am Waschbecken ab und stieg vorsichtig heraus.
    Im Badezimmer war es stockdunkel, und die Kacheln unter meinen Füßen fühlten sich kalt und glitschig an. Ich schaute in den Spiegel, konnte aber nur einen gekrümmten Schatten erkennen, der schwer atmete.
    Immer, wenn ich die Augen schloss, sah ich Syls Gesicht vor mir, wie er von unten zu mir hochstarrte. Irgendjemand hatte mal gesagt, dass Erfrieren gar kein so übler Tod war, dass sich das Gehirn einfach irgendwann abschaltete und man einschlief.
    Ruhig und friedlich.
    Ich wollte nur zu gern glauben, dass das stimmte.
    Ich klammerte mich mit beiden Händen am Waschbecken fest. Mein Herz schlug bis in meinen Kiefer hinauf. In meinem Schädel lauerte der Schmerz und wartete darauf, dass die Wirkung der Tabletten nachließ.
    Syls Gesicht wollte einfach nicht verschwinden.
    Seine Stimme hallte immer noch in meinen Ohren nach. Wie er um Hilfe gerufen hatte.
    Ob er wohl schon tot war?
    Seine Stimme wurde immer lauter, und es gab kein Entrinnen.
    Ich biss mir kräftig auf die Lippen, dann trat ich einen Schritt zurück und schlug mit der Faust in den Spiegel. Das Glas zerbarst, und die Scherben bohrten sich in meine Knöchel, aber es tat nicht weh.
    Syls Stimme war verstummt.
    Einen Moment lang stand ich nur so da, und das Atmen fiel mir schwer. Mein Herz hämmerte gegen die Rippen. Blut rann meine Hand herab und tropfte auf den Boden.
    Aus der Ferne hörte ich Sara nach mir rufen.
    Ich öffnete die Tür.
    Sie saß nackt und aufrecht im Bett.

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