Frost
Spielplatz. Ich fuhr herum, warf mich auf die Erde und robbte unter den Panzer.
Ein Auto kam vom Highway auf den Parkplatz gefahren und blieb an der Rezeption stehen, die Scheinwerfer direkt auf den Spielplatz gerichtet. Ich rührte mich nicht. Mein Herz schlug hart gegen die Rippen. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf meinen Atem und versuchte, ruhig zu bleiben.
Syl lag im Schnee, wo ich ihn liegen gelassen hatte. Mitten im Scheinwerferlicht. Es musste nur jemand in unsere Richtung schauen, dann würde er ihn sehen.
Ich kroch Zentimeter für Zentimeter unter dem Panzer hervor und auf ihn zu. Dann packte ich sein Bein und versuchte, ihn aus dem Licht zu ziehen.
Aber er war zu schwer. Es klappte nicht.
Stattdessen rollte ich ihn auf den Rücken, damit man ihn nicht sofort sah, und kroch zurück unter den Panzer, um abzuwarten.
Ein paar Minuten verstrichen. Ich hörte eine Autotür schlagen und danach die Türglöckchen an der Rezeption.
Es gab Schlitze im Plastikpanzer der Schildkröte, aber als ich versuchte hindurchzuspähen, blendete mich das Scheinwerferlicht.Ich hätte gern gesehen, was dort draußen vor sich ging, aber ich wagte es nicht, meinen Kopf herauszustrecken. Also blieb ich, wo ich war, und lauschte.
Ich weiß nicht, wie lange ich wartete, aber bald wurden meine Finger taub und schmerzten. Ich knetete sie und hauchte sie an, um sie zu wärmen. Es half ein wenig, aber langsam machte ich mir Sorgen. Der dumpfe Schmerz hinter meinen Augen wurde schlimmer, und ich hatte noch einiges vor mir.
Gleich darauf hörte ich wieder das Bimmeln der Türglöckchen. Ich setzte mich auf und schaute durch die Ritzen. Jemand stapfte durch den Schnee, dann hörte ich die Autotür. Der Wagen setzte zurück, und mit ihm verschwanden auch die Scheinwerfer. Dunkelheit umhüllte uns.
Als ich sicher war, dass sie weg waren, kroch ich heraus. Das Auto bog um die Ecke und verschwand zwischen den Gebäuden. Ich richtete mich auf und ging zu Syl.
Jeder einzelne meiner Muskeln war steif und kalt, und ich brauchte all meine Kraft, um ihn mir wieder auf die Schultern zu laden. Also weiter zur Pappel. Kaum hatte ich den Spielplatz hinter mir gelassen, versank ich mit jedem Schritt knietief im Schnee. Der Schmerz hinter meinen Augen wurde stärker und stechend.
Ich musste mich zwingen weiterzugehen.
Falls ich mich an einem Stein stieß oder in ein Erdloch stolperte, würde ich nicht wieder aufstehen können. Ich musste mich auf jeden Schritt konzentrieren.
Ich dachte an all die schönen Dinge, die Sara und ich mit dem Geld anfangen könnten. Es war ein tröstlicher Gedanke, nie mehr Schnee sehen zu müssen. Ich stellte mir Sara und mich irgendwo an einem Strand vor, unter Palmen und am blauen Meer. Mit dem Baby, nein, nicht mit einem Baby, sondern miteinem Kind, einem sonnengebräunten und glücklichen Kind, das durch den Sand rannte und Möwen jagte.
Ich sah auf.
Der Baum war schon näher.
Wir könnten ein Boot kaufen und aufs Meer hinaussegeln, dort angeln und so lange in der Sonne sitzen, bis wir ganz schwarz wären. Nach Sonnenuntergang könnten wir nebeneinander auf Deck liegen und zu den Sternen schauen, die hell am Himmel funkelten.
Aber vor allem würden wir nie wieder frieren.
Ein plötzlicher Schmerz blitzte hinter meinen Augen auf. Er war hell und klar und schoss durch meinen Kopf wie eine Gewehrkugel. Meine Knie gaben nach, und einen scheußlichen Moment lang dachte ich, ich würde fallen.
Irgendwie schaffte ich es, auf den Beinen zu bleiben. Ich blieb ein paar Sekunden stehen, um mich wieder zu fangen. Als ich das Gefühl hatte, wieder im Gleichgewicht zu sein, arbeitete ich mich weiter vor.
Keine Ahnung, wie lange ich so ging, aber als ich das nächste Mal aufsah, stand die Pappel direkt vor mir.
Ich bückte mich, um den Büschen um sie herum auszuweichen. Es waren nur ein paar, und sie waren klein und kahl, aber ich war froh, dass sie da waren. Sie würden uns ein wenig Schutz bieten, den brauchten wir. Wenn man ihn nur einen Tag später fände, wären wir immerhin einen Tag länger auf dem Weg fort von hier.
Ich ging einmal um den Baum herum, um den besten Platz für ihn zu finden. Da trat mein Fuß auf etwas Lockeres, und ich rutschte aus, konnte mich aber gerade noch fangen. Da war ein Abhang direkt hinter den Büschen.
Perfekt.
Ich ließ Syl über die Schulter fallen. Er schlug hart auf,rollte den Abhang hinunter und landete mit dem Gesicht nach unten im tiefen Schnee auf dem
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