Frost
sagt ein paar Worte und wird dann wieder bewusstlos», sagte Megan. «Das ist eigentlich ein gutes Zeichen.»
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte, undich wusste, dass ich aufstehen musste. Ich ging zum Kamin und kniete mich neben Syl. Seine Augen waren geschlossen. Seine Haut war mit weißen Blasen bedeckt. Man konnte das tiefe Rasseln seines Atems hören. Es klang langsam und dünn.
Ich blieb eine Weile dort und hörte mit halbem Ohr dem Gespräch am Tisch hinter mir zu. Megan stand auf und kam zu mir herüber. Sie legte ihre Finger an seinen Hals.
Als sie fertig war, fragte ich: «Haben Sie einen Puls gefühlt?»
«Stark und regelmäßig», sagte sie. «Der ist ganz schön robust.»
Sie öffnete das Laken und schaute sich den Verband an. Er war sauber und neu, aber als sie ihn anhob, konnte man sehen, dass die Haut darunter schwarz war. Es roch warm und fleischig, genau wie faules Fleisch.
Ein Geräusch entfuhr mir, und ich wandte mich ab.
«Es hat sich entzündet», sagte Megan. «Das ist das Problem. Ich glaube, er hat nicht mehr viel Zeit.»
Ich schwieg.
Sie befestigte den Verband. Dann schaute sie mich an und fragte: «Habt ihr beide irgendetwas gesehen, als ihr letzte Nacht hier angekommen seid?»
«Was denn zum Beispiel?»
«Ein Auto an der Straße? Jemand, der dort entlanggelaufen ist?»
«Ich habe ja kaum dieses Motel gefunden», antwortete ich. «Ich wäre fast daran vorbeigefahren.»
Megan nickte und schaute weg.
Caroline rief meinen Namen.
Ich drehte mich um.
«Liest du gern?»
«Nein», sagte ich. «Eigentlich nicht.»
Sie nickte langsam, so als hätte sie auch nichts anderes erwartet. «Ich habe viel über diese alten Krimis nachgedacht. Du kennst sie vermutlich nicht, aber sie fangen alle damit an, dass eine Gruppe Fremder um einen Toten herumsteht, meistens in einem abgeschiedenen alten Gutshaus oder irgendwo auf einer einsamen Insel.»
«Oder in einem Motel während eines Schneesturms», warf Megan ein.
«Genau», sagte Caroline. «Und ich habe darüber nachgedacht, wie seltsam es ist, wenn man im wirklichen Leben plötzlich in einer solchen Situation ist.» Sie machte eine Handbewegung in Richtung Syl. «Natürlich haben wir keine Leiche, aber wir haben diesen armen Mann, über den wir kaum etwas wissen.»
Zuerst verstand ich nicht. Aber dann fiel der Groschen.
«Wir wissen kaum etwas?», fragte ich. «Wir wissen doch überhaupt nichts über ihn, oder?»
Caroline zeigte auf einen Haufen verdreckter Kleider, den jemand auf einen der Tische gelegt hatte.
«Seine Brieftasche», sagte sie. «Es ist nicht viel, aber es wirft sicher einige Fragen auf. Sieh es dir mal an.»
Ich stand auf und ging zu Syls Kleidern. Sie waren gefaltet und gestapelt, immer noch nass vom Schnee. Wasser tropfte auf den Boden. Syls Geldclip, prallvoll mit Bargeld, lag neben einer billigen Metalluhr und einer schwarzen Brieftasche.
Ich nahm die Brieftasche. Ein laminierter Ausweis und eine saubere, goldene Dienstmarke waren darin.
Eine Sekunde lang vergaß ich zu atmen.
Auf dem Ausweis stand, dass sein Name Sylvester White lautete und dass er Detective bei der Polizei von Chicago war. Das Foto war schon etwas älter. Es zeigte einen jungen Sylvesterin Uniform, der aufrecht an einer hellblauen Wand stand und lächelte.
Ich sah es lange an.
Ich hörte, wie Sara ihren Stuhl vom Tisch rückte und zu mir herüberkam. Ich wollte vermeiden, dass sie die Dienstmarke sah, aber ich konnte es nicht.
Sie reagierte überhaupt nicht.
«Bis jetzt», sagte Caroline, «wissen wir nur, dass er aus Chicago kommt, Polizist ist und dass irgendjemand da draußen auf ihn geschossen hat.» Sie hielt inne. «Alles andere bleibt ein Rätsel.»
23
Sara wollte gehen, also sagte ich, dass ich bald nachkommen würde. Als sie fort war, fragte mich Caroline, ob ich in der Nacht ein paar Stunden bei Syl Wache halten könnte.
«Wir passen in Schichten auf», sagte sie. «Butch kommt heute Nachmittag wieder, dann bleiben nacheinander Megan und Marcus bei ihm. Wir könnten dich am späteren Abend gebrauchen, wenn du nichts dagegen hast. Eigentlich musst du nur aufpassen, dass das Feuer nicht ausgeht.»
Ich sagte, dass ich mich freute, irgendwie helfen zu können.
Caroline lächelte und berührte meine Schulter. «Danke, Nate. Butchs Neffe hält den Rest der Nacht Wache, also musst du nicht allzu lange hierbleiben.»
«Was machen wir, wenn etwas passiert?» Ich zögerte. «Was, wenn er stirbt? Was machen wir
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