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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Beide
sahen Chey an.
    Dann fing Bannerman an zu lachen. Es war ein Laut, den Chey noch nie
zuvor gehört hatte, und beinahe wäre sie vom Zaun gefallen.
    Als er nicht länger lachte, rieb ihr Onkel sich die Augen und sah
Bobby unverwandt an. »Mister Fenech, Sie sind verrückt. Verschwinden Sie auf
der Stelle von meinem Grund und Boden!«
    »Warten Sie, warten Sie … hören Sie mir bloß eine Sekunde lang zu!«,
bat Bobby.
    »Und du, Cheyenne, du hast anscheinend niemals zugehört, wenn ich dir etwas beibringen wollte. Ich
sage dir, was ich für dich tue. Ich kaufe dir ein Ticket, damit du nach
Hause fliegen und deine Mutter besuchen kannst. Wenn du willst, kannst du auch
hierbleiben. Ich brauche immer einen Helfer – ich werde alt, und die
Pferde brauchen viel Pflege.«
    »Scheiße, warten Sie, geben Sie mir bloß eine Chance!«, drängte
Bobby.
    »Nein.«
Bannerman verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn ich mich recht erinnere,
bat ich Sie zu gehen. Ich bin noch nicht zu alt, um Sie rauszuschmeißen.«
    »Chey, versuch du mit ihm zu reden, ja?«, fragte Bobby. Er fuhr sich mit den Händen über die Schläfen
und achtete sorgfältig darauf, die gestylten Haare nicht
durcheinanderzubringen. »Anscheinend dringe ich nicht zu ihm durch.«
    Chey sprang vom Zaun und lief davon, fort von den beiden Männern.
»Bobby, gib es auf!«, rief sie. »Er ist kein Mann, der sich zu etwas überreden
lässt. Das ist einer der Gründe, warum ich ihn so sehr respektiere.« Ihr
Gesicht brannte vor Scham, und sie wollte einfach nur weg.
    »Chey!«, jammerte Bobby, aber sie ging einfach weiter.
    »Ein Stück die Straße hinauf gibt es einen Schießstand. Für fünfzig
Mäuse bekomme ich dort einen Grundkurs« sagte sie. »Ich habe mich erkundigt.
Die Antwort hatte ich mir bereits gedacht.«
    »Cheyenne«, sagte ihr Onkel. Sein Tonfall war eisig. Sie blieb
stehen, wandte sich aber nicht um. Vermutlich würde er ihr verbieten, den
Polarkreis aufzusuchen. Sie hätte es besser wissen müssen. Er hatte nicht das
Recht, ihr etwas zu verbieten, und er war kein Mann, der sich einmischte, wenn
er nicht das Recht dazu hatte. »Ist das wirklich deine Absicht?«, wollte er
wissen. »Dieser Möchtegernspion hat dich doch nicht dazu überredet, oder?«
    »Onkel, ich schlafe nicht. Seit ich
zwölf war, habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen«, antwortete sie. Die
vielen Male, die sie betrunken umgekippt war, zählten vermutlich nicht. »Ich
drehe jedes Mal durch, wenn ich einen Chihuahua sehe. Der Wolf fraß meinen
Vater, aber das war nicht alles – er hat mir auch mein Leben versaut. Ich
muss es wieder in Ordnung bringen.«
    »Wenn du nach Norden gehst, wirst du dich bloß umbringen. Du kannst
Lykanthropen nicht bekämpfen. Sie sind stärker als wir.«
    »Ich kenne etwas Stärkeres«, mischte sich Bobby ein. »Eine
Silberkugel. Ich kenne da einen Typen in Medicine Hat, ein Silberschmied, der
gerade welche für mich anfertigt. Wenn sie natürlich nicht mit einer Pistole
umgehen kann, dann nutzt ihr auch kein silbernes Panzerabwehrgeschoss.«
    »Mister Fenech, Sie sind ein widerwärtiger kleiner Wicht«, sagte
Bannerman. Dann zog er das Handy aus der Tasche und wählte.

30   Fast
geschafft – fast. Der Zehnkilometerlauf endete mit einem Hinderniskurs.
Sie musste sich über einen überwucherten Dschungelparcours schwingen, unter
Drähten durchkriechen. Chey ließ die am Boden liegenden Autoreifen keuchend
hinter sich, hatte aber noch genug Kraft, um die Oberkante der Mauer zu
erreichen. Sie schwang ein Bein auf die
andere Seite und sprang hinunter, wie man es ihr beigebracht hatte.
Sergeant Horrocks, ihr Ausbilder, schrie sie in dem Augenblick an, als sie den Schlamm hinter sich gelassen hatte. »Wenn Sie die
Beine nicht höher kriegen, fangen Sie
mit der ganzen Scheiße wieder von vorn an!«, schrie er. Er war ein zäher
kleiner Mann mit weißen Locken, und in den sechs Wochen ihrer Ausbildung hatte
er nicht ein Wort in normalem Gesprächston von sich gegeben. Bei dem Sergeant
gab es entweder nur Brüllen oder nur verächtliches Schweigen.
    Sie rannte zu einem Tisch und legte eine Augenbinde an. Ihr blieben
noch fünfundfünfzig Sekunden. Mit schweißnassen Händen nahm sie die Einzelteile
ihrer Waffe vom Tisch. Griffstück, Lauf, Clip. Sie setzte die Pistole zusammen,
nahm sie wieder auseinander, baute sie wieder zusammen. Dann riss sie die Binde
herunter und nahm Haltung an, bis Sergeant Horrocks sie nicht länger anbrüllte.
    Ihr

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