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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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einige von ihnen gefressen. Die
großen Jungs in Ottawa ziehen ihr Öl blutfrei vor. Also genehmigen sie keine
Bohrungen. Dann ist da das Terrorismusproblem, weil es in meinem Geschäft
heutzutage immer ein Terrorismusproblem geben
muss, stimmt’s? Sie wissen darüber Bescheid. Wenn wir unser eigenes Öl
fördern, sind wir weniger abhängig vom Mittleren Osten, dann wird Kanada ein
sichereres Land.«
    »O
bitte!«, schnaubte Bannerman.
    Bobbys Mund war ein dünner Strich.
»Wir haben es hier mit ideellen Werten zu tun, sicher. Aber wenn dieses
Arschloch tot ist, dann ist jeder einzelne Bürger meines Lands auf eine sehr
handfeste Weise ein kleines bisschen sicherer.«
    »Und dafür kann außer meiner Nichte kein Mensch auf der Welt
sorgen«, sagte Bannerman. Er stand im Begriff, Bobby nach einer letzten
höhnischen Bemerkung wegzuschicken. Er stand im Begriff, alles
zunichtezumachen, wofür Chey so hart gearbeitet hatte. Alles, was sie brauchte,
falls sie ein vernünftiges Leben führen wollte. Sie sah ihn an, als er den Mund
öffnete, um Bobby zu sagen, er solle
verschwinden und sich nie wieder sehen
lassen. Sie flehte ihn mit ihren Blicken an. Nicht so, wie sie
vielleicht einen anderen Mann angefleht hätte, nicht mit bettelndem Blick,
sondern mit dem Blick einer Erwachsenen. Dem Blick einer Person, die in der
Lage war, eigene Entscheidungen zu treffen.
    Bannerman holte langsam und gequält Luft. Dann erwiderte er ihren
Blick. »Cheyenne«, fragte er, »willst du das wirklich tun? Willst du dein Leben
wirklich für die Chance wegschmeißen, diesen Lykanthropen zu töten?«
    Sie ließ nicht zu, dass sie blinzelte. »Ja«, antwortete sie.

Teil drei
    Western Prairie

31   In der Brise, die von dem kleinen See aufstieg,
erzitterten die Kiefernnadeln, und die Baumstämme schwankten leicht. Sonnenlicht tanzte auf dem Wasser.
    Chey korrigierte ihren Stand. Dann
hob sie die Waffe und richtete sie auf Powells Stirn. Er sah überrascht,
wenn auch nicht sonderlich furchtsam aus. Ihre Hand geriet ins Zittern, aber sie kämpfte es nieder. Ein Schuss, das war
alles, was nötig war. Er würde sterben. Sie wäre endlich stärker als der Wolf.
    Sie hätte gern Zeit gehabt, noch länger mit ihm zu sprechen. Sie
hatte noch so viele Fragen, die er ihr beantworten sollte.
    »Chey«, sagte er langsam. Er versuchte sie umzustimmen.
    Ihr Vater hatte keine Gelegenheit
erhalten, noch etwas zu sagen. »Du hast meinem Vater nicht die geringste
Chance gelassen!«, schrie sie. Sie verlor die Kontrolle, das fühlte sie genau.
Schnelles Handeln war erforderlich, oder sie würde es versauen.
    »Dein Vater?«, fragte Powell.
    »Sein Name war Royal Clark. Er war
ein guter Mann. Dich hat das natürlich nicht interessiert. Du schienst
nicht sonderlich an seinem Charakter interessiert
zu sein. Dich schien mehr zu interessieren, wie seine Eingeweide schmeckten. Du hast unseren Wagen vor zwölf
Jahren angegriffen, und du hast ihn gefressen.«
    »O
Mann«, ächzte er.
    »Sag mir, dass du dich an ihn erinnerst!«, verlangte sie. »Sag mir,
dass du weißt, von wem ich spreche. Ich weiß, dass man euch einander nie
vorgestellt hat, aber du entsinnst dich doch bestimmt noch an seine rote Jacke.
Das ist so gut wie alles, woran ich mich erinnere. Sag es mir!«
    Wenn er gestand, wenn er sagte, dass er sich erinnerte und es ihm
leidtat, dann war alles vorbei. Dann konnte sie ihn einfach töten und endlich
wieder schlafen.
    »Es tut mir leid, Chey«, sagte er.
    Ihr Körper sank ein wenig in sich zusammen. Sie befürchtete,
ohnmächtig zu werden. Er gestand, er entschuldigte sich für seine Tat, genau
wie sie es gewollt hatte …
    Aber er war noch nicht fertig.
    »Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht an ihn erinnern.«
    Plötzlich und unerwartet wurde sie sich der Masse in ihrer Hand
bewusst, der kantigen Realität der Pistole. Jetzt, dachte sie. Jetzt jetzt jetzt! Sie versuchte den Abzug durchzuziehen.
Er bewegte sich nicht. Es passierte gar nichts.
    Beschämt und entsetzt schloss sie die Augen. Der Sicherungshebel der
Waffe war noch immer vorgelegt.
    Einen schwankenden, besoffenen Moment lang bewegte sich niemand.
Jeder versuchte sich darüber klar zu werden, was gerade geschehen war. Powells
Miene verfinsterte sich, und er hob die Arme. Er senkte den Kopf und tat einen
Schritt nach vorn.
    Dann bewegten sich alle gleichzeitig.
    Cheys Daumen glitt nach unten, um die Sicherung zu lösen. Die
Mündung zeigte nicht mehr genau auf Powells Gesicht.
    Lester,

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