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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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der Inuvialuit, stürmte um seinen Hubschrauber herum, um
sich in Sicherheit zu bringen.
    Bobby schob die Hand in seine Lederjacke und griff offensichtlich
auch nach seiner Waffe.
    Ein Stück entfernt lenkte Dzo seinen verrosteten Truck von dem
Holzfällerweg zurück in die undurchdringlichen Wälder.
    Aber bevor all das wirklich
geschah, bevor Chey überhaupt den nächsten Atemzug nehmen konnte, hatte
sich Powell bewegt.
    Sie wusste, dass Werwölfe selbst in
ihrer Tagesgestalt schneller waren als gewöhnliche Menschen. Chey besaß
ebenfalls diese Kraft und Schnelligkeit in Armen und Beinen. Allerdings hatte
sie sie noch nie zuvor ausprobiert. Hatte ihre neuen Grenzen noch nicht
ausgetestet.
    Powell verfügte seit beinahe hundert Jahren über diese Stärken. Er
wusste sicher, was sein Körper zu leisten imstande war, was er erreichen
konnte, wenn es darauf ankam. Er zögerte nicht. Er bewegte sich einfach und
floss förmlich über die Lichtung. Eine seiner Hände schlug Cheys Arm hart genug
zur Seite, um ihr Handgelenk zu verstauchen. Die Pistole flog durch die Luft.
Powell hielt nicht inne, um ihren Flug zu verfolgen. Der Schwung seiner
Bewegung, die sich tief in den Boden grabenden Füße und die pumpenden Beine
trugen ihn vorwärts. Seine Schulter kollidierte so hart mit Bobby, dass sie
beide vor Schmerzen aufschrien. Bobbys Schrei war lauter. Er krachte zu Boden
und krümmte sich zusammen. Powell blieb in Bewegung, seine Füße waren nur
schemenhaft zu erkennen, bis er gegen die Seite des Hubschraubers stieß. Er
starrte durch die Plexiglasscheibe der Kanzel. Chey erkannte Lester, der mit
weit aufgerissenen Augen dort kauerte.
    »Versuch keine Dummheiten!«, grunzte Powell den Piloten an.
    »Ja, okay«, versprach Lester mit eifrigem Nicken.
    Chey sah sich um. Sie verspürte stechende Schmerzen im Arm, aber die
konnte sie ein paar Sekunden lang ausblenden. Sie musste sie sogar lange genug
ausblenden, um die Waffe wiederzufinden. Da – der rechteckige schwarze
Umriss der Pistole hob sich deutlich sichtbar von der Schneekruste ab, auf der
sie lag. Nur wenige Meter entfernt. Sie ging in die Knie und versuchte sie mit
einem Sprung zu erreichen.
    Sie kam keinen einzigen Schritt weiter. Powell stieß sich vom
Hubschrauber ab und flog förmlich über die Lichtung,
um ihre Beine zu erwischen. Der Boden raste ihr entgegen, ihre Wange
grub sich in den Untergrund. Ihre Zähne wurden erschüttert.
    Mit einer Hand stieß Powell ihr Gesicht tiefer in die Erde. Mit der
anderen packte er ihr verletztes Handgelenk und verdrehte es ruckartig.
    Sterne explodierten hinter ihren Augen. Es schmerzte so sehr, dass
ihr Mageninhalt in die Kehle heraufschoss und sie gewaltsam schlucken musste,
wenn sie nicht ersticken wollte.
    »Du willst mich umbringen«, sagte
er. Seine Stimme war belegt mit widerstreitenden Gefühlen. »Nun,
vielleicht verdiene ich den Tod. Aber zuerst musstest du mich anlügen. Ich ließ
dich in mein Haus, und das ist der Dank. Ich sollte dich umbringen. Und wenn ich dich noch einmal sehe, tue ich es auch.«
    Wieder riss er an ihrer Hand, dieses Mal von unten nach oben. Ihre
Schulter knirschte und bäumte sich unter seinem Griff auf, ihre Zähne schlugen
aufeinander. Vor Schmerz fiel sie in einen Schockzustand. Kälte schoss ihr
durch den ganzen Körper, eine genauso schlimme Kälte wie beim Eintauchen in die
Flut. Eine Kälte wie in dem Augenblick, als sie nach ihrer ersten Verwandlung
nackt in der Tundra aufgewacht war.
    Powell ließ sie los. Sie konnte sich nicht bewegen, sondern bloß zittern. Vor Schmerz und Kälte
verkrampfte sie sich.
    Als sie sich genug erholt hatte, um sich aufsetzen zu können, war er
verschwunden.

32   Der
Schmerz nagte an ihr. Er war wie ein kleines Tier in ihrem Körper. Sie hatte
das Gefühl, vor Übelkeit träten ihr die Augen aus dem Kopf, und sie schwitzte
selbst in der kalten Luft.
    Langsam hob Chey den Arm, um ihr Handgelenk zu betrachten. Die Haut
auf dem Unterarm hatte sich rot und purpurn verfärbt, während die Hand selbst
schlaff wie eine Puppenhand herunterhing. Sie versuchte die Finger zu
schließen, und sie zuckten auch, aber ansonsten verweigerten sie den Gehorsam.
Sie wollte die Hand heben, aber sie bewegte sich nicht.
    Der Schmerz in ihr knurrte und
befahl ihr, sich hinzulegen, zu schlafen. Wäre sie nicht zur Hälfte eine Wölfin
gewesen, hätte sie wohl keine Wahl gehabt. Was auch immer der Fluch ihr antat,
den Powell an sie weitergegeben hatte, einige Vorteile

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