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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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des Anderen hätten ihn erkannt, er war ein Liebling ihres Gottes. Der Wolf lebte beinahe ein Jahrhundert, bis er auf einen Jäger traf, der stark genug war, ihn zu erlegen. Doch im Augenblick des Todes haben sich ihre beiden Geister vereint.
    Das Silberlicht schien mit neuer Kraft zu strahlen, die eisigen Formen darin brannten weiß. Es umhüllte die Dunkelheit und zog sie in sich, umwickelte sie mit Lichtfäden, bis der Geist des Wolfs nur noch ein dunkler Knoten in seiner Mitte war.
    Er hat deine Mutter in ihrer Angst und Verzweiflung schreien gehört. Er will sie wiedersehen, noch einmal in ihr Gesicht blicken. Er will sein Kind sehen.
    Das silbrige Licht entlud sich in einer Explosion. Ich wurde hinausgeschleudert. Ich hörte Glas splittern und einen Schrei und in dem wirbelnden, tanzenden Schnee erkannte ich einen silbernen Umriss. Er sah aus wie ein Mann, der die Hand nach meiner Mutter ausstreckte, die zusammengekauert im Bett lag und ein lebloses Bündel an die Brust drückte.
    In der Mitte des Silbermannes wirbelte und tobte die Dunkelheit.
    Als die Silberhände des Mannes den Säugling berührten, wurde die Dunkelheit plötzlich größer. Der Mann-Umriss zuckte zusammen, dunkle Fäden wanden sich wie giftgefüllte Adern mit großer Schnelligkeit durch ihn hindurch. Ein tiefes, bösartiges Knurren ließ meine Mutter von neuem aufschreien. Die silbrige Hand, die den Kopf des Säuglings berührt hatte, zog sich hastig zurück, doch die Dunkelheit hatte sich schon über das Kind gelegt; die Bewegung des Silbergeistes riss den winzigen Körper nur aus den Armen der Mutter.
    Garin Aeskaars Geist fing das Kind – mich – auf und nahm mich in den Arm. Silberne Schneeflocken und Schwärze kämpften rings um den Körper des Kindes. Garin beugte den Kopf, als wolle er das Gesicht des Säuglings küssen. Auf einer bläulichen Wange zeigte sich langsam ein weißes Zeichen, das aussah wie eine Eisblume, wie der Biss eines Wolfs. Das Kind strampelte und schrie, als sich auf der Narbe winzige Blutströpfchen zeigten, die langsam über seine Wange rannen.
    »Saram …«, flüsterte Garin Aeskaars Stimme. Der noch immer in Dunkelheit gehüllte silbrige Geist legte den Säugling vorsichtig auf den Bettrand. Danach schien er zu erlöschen.
    Ma hob ihr Kind – mich – aus dem Schnee, Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    »Was ist geschehen?«, fragte ich. »I-ich verstehe nicht …«
    Langsam verschwamm und entglitt das Bild meiner Mutter, die über dem Kind schluchzte, es war, als würde ich es durch Tränen hindurch sehen. Durch das schemenhafte Bild schimmerte Gold und Blau und wurde zu Flammen, die im Kreis um mich herumtanzten, über mir, unter meinen Füßen. Ich stand in einer Kugel kalter Flammen.
    Dein Vater hat dich gerettet. Er holte deinen Geist zurück und verschloss ihn in deinem Körper. Doch als er das tat, sperrte er auch sich selbst und den Wolf in dir ein.
    »Dann hat meine Mutter nie einen Handel mit dem Gott des Anderen abgeschlossen. Sie hat meine Seele nicht hergegeben. Der Geist des Dämonenwolfs ist in mir«, flüsterte ich. »Daher kommt die Wut. Luca hatte Recht; er ist ein Teil von mir.«
    »Nicht nur der Wolf. Ich bin auch in dir, Saram.«
    Als ich herumwirbelte, sah ich silbernes Licht in der Gestalt eines Mannes durch die blaugoldenen Flammen gehen. Im Inneren der Lichtgestalt kämpfte und bewegte sich ein schwarzer Schatten – der Wolf. Der dunkle Fleck im Licht war größer, als er noch in der Vision gewesen war, und die dunklen Adern waren eher Stricke als Fäden.
    Doch ich sah nicht lange auf die Dunkelheit. Meine Hände streckten sich ohne mein Zutun aus.
    »Vater?«
    Der silbrige Umriss verdichtete sich langsam. Farbe und Struktur – Haut und Haare, Leder und Fell – wurden immer dunkler, wogten über das Licht und kleideten die durchsichtige Gestalt, bis sie genau dem Mann ähnelte, den ich gerade hatte sterben sehen.
    Mein Vater stand vor mir.
    Er öffnete die Arme und ich schmiegte mich hinein, legte meinen Kopf an seine breite Brust. Eine große Hand umfasste meinen Nacken. Er roch nach Schnee und Sonnenschein und nassem Wolfspelz und nach … Vater.
    Ich vergrub mein Gesicht im weichen Fell seines Mantels und weinte.
    »Ich bin immer bei dir gewesen«, sagte er, seine Stimme hallte in meinem Ohr. »Habe immer über dich gewacht. Bis die Feuergöttin zu mir sprach. Ich war zu sehr eins mit dem Wolf, um dich vor ihm zu schützen. Ich konnte nicht unterscheiden, wo er begann und ich

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