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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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aufhörte. Wenn ich durch deine Augen Blut sah – das Blut meines kleinen Mädchens –, hatte ich weder über mich noch ihn Kontrolle. Ich musste kämpfen, musste dich schützen. Und jedes Mal, wenn ich die Kontrolle verlor, wurde er stärker und nährte sich von meiner Furcht und meiner Wut. Es tut mir leid. Du musstest so viel ertragen wegen meiner Schwäche.«
    Ich klammerte mich an seinen Mantel, als wolle ich ihn niemals loslassen. »Nein«, sagte ich, die Tränen ließen meine Stimme gepresst und verzerrt klingen. »Deine Stärke hat mir das Leben geschenkt. Danke, Vater. Danke, dass du bei mir geblieben bist. Danke für mein Leben.«
    »Hör zu«, sagte Garin und schob mich ein wenig weg. »Die Göttin hat dir etwas zu sagen.«

Siebenundzwanzig
    Du musst eine Entscheidung treffen
, sagte die Flammenstimme – die Stimme der Urmutter.
Dein Vater hat dir das Leben geschenkt, doch der Preis dafür war der Fluch, der auf dir lastete. Viele Jahre lang hat nur die Stärke des Wolfs dem Geist deines Vaters erlaubt, bei dir zu bleiben. Ich kann den Wolf freilassen und zu seinem Herrn zurückschicken – doch wenn ich das tue, wird auch der Geist deines Vaters freigesetzt. Und ohne ihn wird dein Körper sterben.
    »Nein«, knurrte mein Vater.
    Die andere Möglichkeit ist, weiterzumachen wie zuvor. In diesem Fall obliegt es deinem Vater, die Bestie unter Kontrolle zu halten, so wie seit jeher.
    Ich starrte in Dads graue Augen, die meinen so täuschend ähnlich waren. »Was ist das für eine Wahl? Wenn ich dich bitte, den Fluch zu lösen, werde ich sterben und lasse meine Freunde im Stich und alle, die ich liebe. Doch wenn ich dich bitte, mich leben zu lassen, verurteile ich die Seele meines Vaters zu leiden und bleibe weiterhin ein Ungeheuer.«
    Dads Gesicht zuckte. »Still! Du bist kein Ungeheuer. Die Wut kommt nicht aus dir, sondern aus mir. Die Bestie nährt sich von meiner Wut und Angst. Vielleicht kann die Feuergöttin mir helfen, stärker zu werden und mich besser zu beherrschen.«
    »Dad, auf diese Weise gefangen zu sein … dieses Halbleben, das kann doch nicht dein Wunsch sein. In der nächsten Welt wartet meine Mutter auf dich. Es ist nicht richtig.«
    Er zögerte nur eine Sekunde, bevor er antwortete. »Du bist meine Tochter. Es ist keine Qual für mich, bei dir zu sein.«
    »Du bist ein ebenso schlechter Lügner wie ich«, brummte ich.
    Wie konnte ich über das Schicksal der Seele eines anderen Menschen entscheiden – über die Seele meines Vaters? Wie konnte ich zwischen Leben und Tod wählen? Mit einem solchen Dilemma sollte kein Sterblicher jemals konfrontiert sein.
    Ich wollte nicht sterben. Noch nie, nicht einmal in meinen dunkelsten Stunden, hatte ich mich nach dem Tod gesehnt. Ich wollte bloß frei leben, wie alle anderen sein.
    In Gedanken sah ich Lucas Gesicht. Die wunderschöne Hoffnung und Stärke in seinen Augen. Den Schmerz, als er die Hand nach mir ausgestreckt hatte, bevor ich ins Feuer stürzte. Wenn ich daran dachte, ihn so zurückzulassen, ihn mit meinem Tod zu verletzen, fühlte sich mein Herz wie ein Klumpen Eis an.
    Ich wandte mich der Urmutter zu. »Was wäre, wenn Du meinen Vater freiließest, den Wolf jedoch in mir lassen würdest? Könnte ich dann leben?«
    Der Geist des Wolfs ist mächtig und zäh. Er würde genügen, um dich am Leben zu halten. Doch du müsstest genauso stark sein. Stark genug, um allein gegen ihn anzukämpfen.
    Garin sagte eifrig: »Ich könnte es ihr beibringen. Wenn Du uns Zeit gibst, kann ich ihr beibringen, gegen den Wolf zu kämpfen.«
    In der Heiligen Flamme ist keine Zeit und unendlich viel Zeit. Du kannst dein Kind unterweisen, Garin Aeskaar. Aber Saram, denk daran: Wenn du den Geist des Wolfs herausforderst und verlierst, wird der Wolf deinen Willen unterdrücken und von deinem Körper Besitz ergreifen. Du weißt, was dann passiert. Bist du sicher, dass du dieses Risiko eingehen möchtest?
    Ich zögerte. Danach gäbe es kein Zurück mehr. Gab es irgendeinen anderen Weg, einen weniger gefährlichen Weg?
    Doch wohin hatte es mich gebracht, dass ich immer vor der Angst davongelaufen war? Wohin hatten mich all meine Selbstzweifel geführt? Es war mir nie gelungen, weit oder schnell genug davonzulaufen, um dem Wolf zu entkommen. Ich hatte eine Chance, mich selbst zu befreien. Ich musste an meine Stärke glauben, so wie Luca es tat.
    Ich holte tief Luft. »Ja.«
    Dann geh, mein Kind, und kämpfe mit meinem Segen.
    Der blaugoldene Feuerring wurde immer

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