Frostblüte (German Edition)
Wirbelsäule fast zu verbiegen, um dem Hieb zu entgehen. Dads Axt versank im Schnee. Der Wolf sprang ihm an die Kehle.
Ich stürzte mich mit einem gellenden Kampfruf auf die Bestie, rammte ihr den Unterarm gegen den Kiefer, den anderen Arm warf ich um die mächtigen Schultern, um den Kopf zurückzuhalten.
Der massige Körper sträubte und wand sich und versuchte sich aus meiner Umklammerung zu befreien. Die kräftigen Hinterläufe traten nach mir und hinterließen brennende Striemen auf meinem Bauch und meinen Rippen. Seine Klauen waren wie Eisen. Wir wälzten uns im Schnee, der heiße Atem des Wolfs schlug mir ins Gesicht. Die großen, sichelförmigen Zähne schnappten knapp vor meiner Nase zusammen.
Ich schaffte es, mich nach oben zu kämpfen, ein Knie in den Magen des Tiers zu stoßen, das andere in den Schnee daneben. Hinter mir konnte ich meinen Vater rufen hören, er kam jedoch nicht näher.
Ich werde dich verschlingen
, knurrte der Wolf.
Ich werde dich mit diesen Fangzähnen in Stücke reißen. Ich werde mich an deinem Menschenherzen gütlich tun, du schwächliches Ding!
Meine Finger bohrten sich wie Klauen in das dichte Fell. Wenn ich auch nur eine Sekunde losließe, hätte ich verloren. Ich starrte auf die glühenden Augen des Wolfs und konzentrierte meinen ganzen Willen darauf, seinem Blick standzuhalten.
»Unterwirf dich.« Meine Stimme war ein leises, böses Knurren. »Unterwirf dich mir.«
Ich bin der Wolf.
»Unterwirf dich!«
Die Bestie begann zu heulen. Der unheimliche Ton hallte durch meinen Körper, durch die Ebene. Entfernte Berge bebten. Die Erde unter uns rumpelte. Aus dem Augenwinkel sah ich die Sterne grell aufflammen, dann fielen sie mit einem weißen Feuerschweif als Sternschnuppen vom Himmel.
Der Wolf kämpfte noch verzweifelter, er trat so lange gegen meine Rippen, dass sie schon gebrochen sein mussten. Ich bohrte meine Finger tiefer in sein Fell und ließ nicht los. Ich blinzelte nicht.
»Das ist meine Seele! Meine! Du wirst mir keine Befehle erteilen. Keiner gibt mir Befehle. Unterwirf dich! «
Die sternenhellen Augen sahen weg, nur für eine Sekunde.
Der Wolf unter mir rührte sich nicht mehr. Dann hob sich seine riesige schaumbedeckte Schnauze, bis die feuchte Spitze fast meine Nase berührte.
Du bist trotzdem meine Tochter.
Der Wolf löste sich in meiner Umklammerung auf, eine dunkle Wolke hüllte mich ein, eisig und sanft legte sie sich um mich, wie Rauch oder schwarze Daunen oder der weichste, feinste aller Pelzmäntel. Die Erde zitterte und bebte, warf sich ein letztes Mal auf und beruhigte sich dann.
Dad ließ sich neben mir auf die Knie fallen und nahm mich in den Arm.
»Sie hat mich zurückgehalten«, flüsterte er mit heiserer, stockender Stimme. Ich konnte spüren, wie er zitterte. »Die Feuergöttin hat verhindert, dass ich dir zu Hilfe komme.«
»Ich musste ihn selbst besiegen, Dad«, keuchte ich. »Verstehst du das nicht? Ich musste wissen, dass ich es aus eigener Kraft schaffen kann, ansonsten wäre ich die Angst nie losgeworden. Kraft und Skrupellosigkeit sind das Einzige, was der Wolf respektiert. Solange er weiß, dass ich stärker bin als er, werde ich seine Herrin sein. Sobald ich der Angst nachgebe, wird er mich niederwerfen und mit seinen Klauen zerfleischen.«
»Mein tapferes Mädchen. Mein tapferes kleines Mädchen.« Garin wiegte mich, dann lehnte er sich zurück und sah zu mir herunter. »Da gibt es noch etwas, das ich dir sagen muss, Saram. Es geht um deine Mutter. Ich weiß, sie war nicht liebevoll zu dir – und ich kann nicht von dir verlangen, dass du ihr das verzeihst. Aber sie kannte den wahren Grund nicht, warum dein Leben geschont wurde. Edel dachte, sie habe deine Seele weggegeben, und das konnte sie nie vergessen, geschweige denn sich von der Angst lösen, sie habe einen Fluch auf dich geladen. Schuldgefühle quälten sie. Sie glaubte, dass alles, was dir widerfuhr, ihre Schuld war. Es machte sie hart und kalt. Es brachte sie dazu, dich zu verletzen, als du schon verletzter warst, als ein Kind je sein sollte. Aber sie hat dich geliebt, Saram. Das hat sie wirklich. Sie hätte ihre eigene Seele gegeben, wenn es deine gerettet hätte. Denk daran. Und denk daran, dass auch ich dich liebe.«
Er umarmte mich noch einmal. Ich lehnte mich gegen seine Schulter. Jeder Teil meines Körpers schmerzte vor Erschöpfung, blauen Flecken und Schrammen. Doch ich war im Reinen mit mir. Hinter den Bergen ging allmählich die Sonne auf und warf ihre
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