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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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roten und goldenen Strahlen an den Himmel. Die Sternschnuppen verblassten eine nach der anderen.
    Die Arme um mich begannen silberhell zu leuchten und sandten Strahlen aus, die denen der Sonne ähnelten. Als sich Dads menschliche Gestalt aufzulösen begann und in einem Umriss reinen Lichts verschwand, wurde ich von einem seltsam schwebenden Gefühl umhüllt.
    »Ich werde immer über dich wachen«, flüsterte er. »Meine kleine Flamme. Immer …«
    Ich spürte eine sanfte geisterhafte Berührung auf der Frostblüte auf meiner Wange. Dann flog das Silberlicht, das die Seele meines Vaters war, zum Himmel, wurde dünner und blasser, bis es schließlich im Gold der Morgendämmerung verschwand.
    Tränen rannen mir langsam über die Wangen.
    »Danke«, flüsterte ich. »Danke, dass ich ihn kennenlernen durfte.«
    Die Landschaft rings um mich begann sich ebenso aufzulösen wie mein Vater: Schnee und Himmel wurden zu sanft züngelnden Flammen in Blau und Gold und Purpur.
    Nach einiger Zeit – es mochte eine sehr lange Zeit gewesen sein – wurde mir bewusst, dass ich zusammengekrümmt in der Feuergrube des Lagers ruhte, raue Asche und Kohle unter meiner Wange, während rings um mich die ruhigen Pfauenflammen brannten. Als ich den Blick auf sie richtete, erloschen sie und ließen nur Asche zurück.
    »Frost?«
    Ich brauchte einen Moment, bis ich meinen Namen erkannte, dann noch einen, um die Stimme zuzuordnen.
    »Arian …?«
    Ich hustete, dann hustete ich noch heftiger, als hätte ich Asche im Hals. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch meine Arme fühlten sich wie schlaffe Seile an.
    Ich musterte sie in einem Anfall von Panik und lehnte mich erleichtert zurück, als ich feststellte, dass sie nicht verbrannt waren. Ich fühlte mich nicht sehr anders. Außer der Tatsache, dass ich eine Woche lang schlafen wollte, spürte ich nur eine Veränderung.
    Das nagende, schuldbewusste Ziehen der Angst, das seit meinem achten Lebensjahr mein ständiger Begleiter gewesen war, hatte sich aufgelöst. Ich hatte keine Angst mehr. Wovor sollte ich denn Angst haben?
    Ich war frei.
    Arians Stimme klang nun näher. Als ich mühsam den Kopf hob – ich hatte das Gefühl, eine Bleikrone zu tragen –, sah ich ihn an der Einfassung der Feuerstelle knien, die Hände wie zum Gebet verschränkt. Er sah schrecklich aus. Sein Kinn war unrasiert, sein Haar stand ihm unordentlich um den Kopf, seine Kleider waren zerknittert und schmutzig. Er sah aus, als habe er tagelang weder geschlafen noch sich gewaschen.
    »Mir geht’s gut«, krächzte ich. »Ich bin immer noch Frost. Ich bin immer noch ich.«
    Er starrte mich weiter an, als erwarte er, dass ich jeden Augenblick wie ein Hund zu bellen anfangen würde.
    »Arian, hilfst du mir jetzt hier raus oder nicht? Es ist unbequem! Reich mir wenigstens die Hand!«
    Er schloss die Augen, auf seinem Gesicht zeigte sich unendliche Erleichterung. »Du hast dich da selbst reingeworfen«, sagte er, die Augen noch immer geschlossen. »Eigentlich sollte ich dich auch selbst wieder rauskriechen lassen.«
    »Dann lass ich mir eben von Luca raushelfen«, gab ich zurück.
    Sein Gesicht verkrampfte sich. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich sah mich um. »Wo ist er? Wo ist Luca?«
    Arian öffnete die Augen. Sein Gesichtsausdruck verursachte mir Übelkeit.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.

Achtundzwanzig
    Arian erzählte mir, dass die Nachricht, nur eine Stunde nachdem ich mich ins Feuer gestürzt hatte und unsichtbar geworden war, überbracht worden sei. Während Luca im Dunkeln an der Feuergrube gesessen hatte – verstört und voller Angst, weil er nicht wusste, ob ich in den lodernden Flammen überhaupt noch am Leben war –, war ein kleiner Rua-Junge ins Lager gekommen und hatte um Hilfe gefleht. Seine Schwester und seine Mutter seien von drei sedrischen Männern verschleppt worden, als sie die kleine Viehherde der Familie für die Nacht von der Weide nach Hause trieben.
    Trotz seines eigenen Kummers konnte Luca einen solchen Hilferuf nicht ignorieren. In Minutenschnelle saß er bewaffnet auf dem Pferd, wählte eine Gruppe von fünf Bergwächtern, die ihn begleiten sollten, und ritt davon, ohne auf Arians Bitten zu hören, vorsichtig zu sein. Er hatte darauf bestanden, dass Arian zurückblieb und das Feuer bewachte. Mich bewachte.
    Am nächsten Morgen waren drei der fünf Bergwächter, die Luca mitgenommen hatte, zurückgekehrt. Einer war kurz darauf gestorben. Die beiden Überlebenden bestätigten Arian, dass sein

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