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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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Stimme hallte durch die stille Nachtluft, bis es mir vorkam, als stünde der Sänger direkt neben mir. Das Lied war verstörend vertraut. Es war ein altes Volkslied – ein Lied, das meine Ma ihr ganzes Leben gesummt hatte. Manchmal, als ich noch sehr klein war, hatte sie es mir zum Einschlafen vorgesungen.
    »Leb wohl, mein Lieb, es ist so weit,
    so gern ich bleiben möcht;
    es ist so weit, mein einzig Lieb,
    weit fort ruft mich die Pflicht …«
    Nach und nach fielen andere Stimmen ein, männliche und weibliche, und verbanden sich mit den süßen, traurigen Tönen einer Holzflöte; eine Trommel nahm den langsamen Rhythmus des melancholischen Liedes auf.
    Meine Kopfhaut kribbelte. Doch dieses Mal war es keine Angst. Was ich fühlte, war Sehnsucht, Sehnsucht und Einsamkeit, wie ein verirrter Wolf, der einem fremden Rudel lauscht, das in der Nacht heult. Nah, ganz nah, aber völlig außer Reichweite. Eine Familie, zu der ich nie gehören konnte.
    Ich blickte zu den kalten Sternen hinauf, nahm ihr Licht in mir auf und rief mir in Erinnerung, dass es manchmal besser war, allein zu sein. Sicherer. Für alle. Ich umklammerte Decke und Wasserschlauch und rannte aus dem Bergwächterlager in die Dunkelheit.

Ich blicke zurück. Immer. Ich kann nicht anders.
    Die Wölfe sind Rinnsale aus Dunkelheit, die sich über den Schnee ergießen, wie Blut, schwarz im Sternenlicht. Silberzähne blitzen auf. Silberaugen funkeln. Sie wissen, dass ich sie beobachte.
    Sie heben den Kopf zum Mond und ihr hoher, unheimlicher Gesang erfüllt die Nacht. Die Wölfe rufen mich. Sie rufen meinen Namen.
    Und sie rufen mit der Stimme meines Vaters.

Fünf
    Die Dorfbewohner legten mich in Ketten und sperrten mich zwei Tage in der Scheune ein. Keiner überschritt die Türschwelle, um mir Essen oder Wasser zu bringen. Als der Durst zu übermächtig wurde und ich das Gefühl hatte, an der brennenden Enge meiner Kehle zu ersticken, schaffte ich es, nah genug an die Wand zu kriechen, um die Feuchtigkeit von dem grünen Schimmel dort abzulecken, auch wenn der Geschmack Brechreiz auslöste.
    Die Scheune stand in der Nähe der Dorfmitte und des unebenen Fleckens Erde, den sie als Anger bezeichneten. Es war der Ort, wo die Ältesten ihre Entscheidungen verkündeten. An jenem ersten Tag hatte sich das ganze Dorf dort versammelt, um zu beraten, was mit mir geschehen sollte. Das Gesetz untersagte die Tötung von Kindern unter zwölf Jahren, wenn es keinen besonderen Erlass eines Priesters von Askaan gab. Der Älteste Gallen schickte deshalb einen Boten zu Pferd in die nächstgelegene Stadt, um schnellstmöglich einen Priester aus dem Tempel dort zurückzubringen.
    Ich hörte meine Mutter um Gnade flehen. Ich sei nur ein Kind, sagte sie, nur ein Mädchen. Sie bot an, das Dorf zu verlassen und mich mitzunehmen. Sie bat um Erlaubnis, mir Essen zu bringen und meine Wunden versorgen zu dürfen. Der Schmied Eilik und ein paar andere stellten sich hinter sie, doch sie wurden von den Ältesten überstimmt.
    Ich sei besessen, behaupteten sie. Niemand dürfe sich mir nähern, bevor der Priester da wäre.
    Der Bote kehrte am nächsten Tag zurück. Ich hörte den Tumult, als er und die Männer, die er mitgebracht hatte, eintrafen. Ich war von Durst und Hunger und Kälte so geschwächt, dass ich mich kaum noch darum kümmerte. Doch aus irgendeinem Grund taten die Blutergüsse und Wunden des Vortages nicht so weh wie erwartet. Ich rollte mich mühsam durch das Stroh und den Mist, bis ich ein Auge an eine Ritze in der hölzernen Scheunenwand drücken konnte.
    Der in ein goldenes Gewand gekleidete Priester von Askaan stieg von einem goldenen Pferd, er hatte einen weißen Bart und ein strenges, väterliches Gesicht. Als er dem Ältesten Gallen die Zügel reichte, starrte dieser sie an, als habe er noch nie zuvor Leder gesehen.
    Bei dem Boten war noch ein weiterer Mann. Ein schmächtiger, dünner Mann. Sein Kopf war kahl und glänzte in der frühmorgendlichen Sonne, trotzdem wirkte er jung, nicht einmal so alt wie meine Mutter. Sein Gesicht war glatt und faltenlos und seine Augen schienen – auch wenn ich ihre exakte Farbe aus der Entfernung nicht erkennen konnte – dunkel und unerbittlich. Sein Gewand war schwarz, genau wie sein Pferd. Er war ein Priester des Anderen.
    Ab diesem Moment war ich überzeugt, dass ich sterben würde.
    Die zwei Priester gaben Anweisungen, Tische und Stühle zur Dorfmitte zu schaffen. Sie wollten jeden befragen.
    Man zerrte Ulem und Marik aus den

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