Frostblüte (German Edition)
deinen Namen«, sagte er. Fast beiläufig zog er das Schwert aus der Scheide.
Angst ließ mich verstummen. Meine Hände wollten nach dem Wolfszahn greifen, doch ich ließ sie fest gefaltet im Schoß liegen. Ich durfte mich nicht rühren, ansonsten würde ich aufgeben und davonlaufen.
Er wird mir nicht unnötig wehtun, versuchte ich mich zu beruhigen. Er wird es schnell hinter sich bringen, da bin ich sicher.
Luca hielt nun einen weichen Lappen in der Hand und nahm sich die Blutflecke auf der Klinge vor. »Genau genommen habe ich das Gefühl, heute eine Menge über dich erfahren zu haben. Zum Beispiel, dass du nicht zu denen gehörst, die einem schlafenden Mann die Kehle durchschneiden. Egal, wie leicht er es dir macht.«
Ich schnappte nach Luft, als ich die Bedeutung seiner Worte begriff, und meine Wut wurde stärker als die Angst. »Du warst wach?«
»Wofür hältst du mich – einen Trottel? Natürlich war ich wach.«
»Aber – dann – warum ?«, wimmerte ich und dachte daran, wie ich mich über ihn gebeugt, ihn angestarrt und vor mich hin geflüstert hatte.
»Ich musste herausfinden, ob du versuchen würdest mich umzubringen, um deine Freiheit zu erlangen«, sagte er, als wäre es die logischste Angelegenheit der Welt. Er sah nicht von seinem Schwert auf, sondern rubbelte weiter an einem hartnäckigen Fleck. »Ich habe weiterhin herausgefunden, dass du bereit warst, gegen jeden Selbsterhaltungsinstinkt zwei Frauen zu helfen, die du nicht kanntest. Dass du tapfer genug bist, einem Mann, der doppelt so groß ist wie du, mit nichts weiter als einem Jagdmesser entgegenzutreten, und schnell genug, um ihn beinahe damit zu töten. Dass du selbst dann, als du zu verängstigt warst, um etwas zu sagen, dein Versprechen, nicht davonzulaufen, gehalten hast. Das habe ich heute über dich herausgefunden.«
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich schüttelte den Kopf und versuchte seine Worte in einer Reihenfolge zu ordnen, die einen Sinn ergab. »Welche Bedeutung hat irgendetwas davon? Du weißt, was ich bin. Ich habe dir von dem Fluch erzählt. Du weißt über den Wolf Bescheid.«
»Frost.« Endlich blickte er von seinem Schwert auf und ich fühlte, wie meine Augen größer wurden, als ich in seine sah. In ihnen lag kein Anzeichen von Abscheu oder Angst. Nicht einmal Mitleid. Nur Güte. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
Die Priester hatten auch freundlich ausgesehen. Mitgefühl war nicht dasselbe wie Barmherzigkeit. Er konnte mich unter keinen Umständen laufen lassen. »Was wirst du mit mir tun?«, fragte ich.
Traurigkeit huschte über sein Gesicht und verdunkelte die goldenen Lichter in seinen Augen, wie eine Wolke, die vor die Sonne gleitet. Er schob sein Schwert eilig in die Scheide zurück und schnallte es wieder um. Anschließend beugte er sich vor, schnürte sein Bündel auf und zog ein großes, unförmiges Päckchen heraus, das in Sackleinen eingewickelt war. Er hielt es mir entgegen und wartete geduldig, bis ich den Mut aufbrachte, danach zu greifen. Sobald er losließ, zog das Gewicht meine Arme heftig nach unten. Das Paket war schwerer, als es in seinen Händen gewirkt hatte.
»Öffne es«, sagte er.
Während ich mich mit der Schnur abmühte, die alles zusammenhielt, stand er auf und schulterte wieder sein Bündel. Der Wind, der über den Berghang wehte, wirbelte die Blätter hinter ihm zu einer silbrig grünen Wolke auf. Feine helle Haarsträhnen flogen ihm ums Gesicht.
»Ich weiß nicht, was du als Nächstes erwartet hast«, sagte er, »aber es scheint nichts Gutes gewesen zu sein. Also höre mir jetzt zu. Ich werde dir ein Angebot machen, dass du annehmen oder ablehnen kannst.«
Meine Finger blieben auf dem Päckchen liegen. »Was für ein Angebot?«
»Schließ dich uns an. Schließ dich mir an. Werde eine Bergwächterin.«
Ich merkte, wie mir die Kinnlade herunterklappte. »Das – das kann nicht dein Ernst sein. Ich habe dich schon einmal angegriffen. Ich bin eine Gefahr für normale Menschen. Auf mir liegt ein Fluch.«
»Ich glaube nicht an Flüche«, entgegnete er mit durchdringendem Blick. »Ich glaube nicht an Magie, an Dämonen. Ich glaube daran, dass man die Wahl hat. Was immer man dir erzählt hat, wer immer dir Schaden zugefügt hat, welche Vergangenheit dich auch verfolgt, du kannst die Entscheidung treffen, das alles hinter dir zu lassen. Ich weiß es, Frost. Ich habe heute gesehen, wer du bist. Deine Tapferkeit hat diese Frauen gerettet.«
Ich begann den Kopf zu
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