Frostblüte (German Edition)
erinnert, ich habe nicht vergessen, wie du dort im Tal gekämpft hast. Ich weiß, wie stark und schnell du bist. Ich werde mich nicht hier hinstellen und so tun, als würde ich dir etwas beibringen, das du schon kannst.«
Dann hatte Luca Arian also nicht die Wahrheit über mich und den Wolf erzählt. Ich wusste nicht, ob ich für seine Verschwiegenheit dankbar sein sollte oder besorgt, weil er meinen Fluch vor dem Mann, den er als seinen Bruder bezeichnete, geheim gehalten hatte. Vielleicht bereute er schon, dass er mich gebeten hatte, mich der Berggarde anzuschließen.
Wenn er es vorher nicht getan hat, dann jetzt ganz bestimmt. Ich hatte uns beide lächerlich gemacht, indem ich mich ihm mehr oder weniger an den Hals geworfen hatte, wo er mir doch nur ein Freund sein wollte. Oh, Vater, seit wann bin ich so dumm?
Arian stürzte sich wieder auf mich und meine Gedanken lösten sich in Panik auf. Ich drehte mich weg, um davonzulaufen.
Er packte mich von hinten, schlang seine muskulösen Arme um meine Taille und presste mir dadurch die Hände an den Körper. Ich spürte seinen keuchenden Atem an meiner Wange. Als ich versuchte ihn abzuschütteln, drückte er nur noch fester zu.
Bleib ruhig. Kämpfe nicht. Halt dich raus.
»Befrei dich aus meinem Griff«, knurrte er mir ins Ohr. »Los. Zeig mir, was du wirklich draufhast.«
Panik überkam mich. »Das ist dumm. Lass mich einfach l-los.«
»Dieses Getue nehme ich dir nicht ab. Wenn ich dich loslassen soll, mach was.«
Ich trat ihm auf den Fuß und hörte ihn vor Schmerzen keuchen, als ich mich mit vollem Gewicht auf seine Zehen drückte. Doch sein Griff lockerte sich nicht.
»Da musst du dir schon ein bisschen mehr einfallen lassen.«
Ich schleuderte den Kopf nach hinten. Er zuckte gerade noch rechtzeitig zur Seite, sonst hätte ich ihm die Nase gebrochen.
»Schon besser«, lautete sein Kommentar. In seiner Stimme lag nun ein Anflug von Wärme, vielleicht sogar Genugtuung, was meine Angst nur noch mehr anfachte. Ihm machte das hier Spaß. Sein Griff wurde fester, sein Unterleib presste sich gegen meinen. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, ich läge auf dem Boden und ein schwerer Körper erdrücke mich. Ich schmeckte schalen Schweiß.
Kämpfe nicht.
Nein, nein, nicht noch einmal, nicht noch einmal.
Das letzte bisschen Kontrolle, das ich noch hatte, verschwand. Ich schlug und trat um mich, warf mein Gewicht nach vorn und den Kopf hin und her. Ich meinte zu spüren, wie er seinen Körper bewegte, um meine Anstrengungen abzuwehren. Ich meinte ihn sprechen zu hören. Doch ich war schon zu entkräftet, um darauf zu reagieren.
Bleib ruhig. Kämpfe nicht. Halt dich raus.
Ich schrie.
Arians Griff lockerte sich in genau dem Moment, als Luca und Livia um die Ecke von Lucas Zelt bogen. Ich fiel auf die Knie und krabbelte von Arian weg, Bilder aus meiner Vergangenheit tauchten vor meinen Augen auf und vermischten sich schwindelerregend mit der Gegenwart.
Das Blut.
Livias gerötetes zorniges Gesicht, die erhobene Stimme, die Worte, in die sich Wut mischte.
Das Blut in meinem Mund. In meinen Haaren, auf meinem Kleid. Knochensplitter, feuchte graue Substanz. Überall auf mir. Ich konnte es schmecken. Vater, Vater, bitte hilf mir.
Luca beugte sich über mich und wollte mich berühren, doch ich schreckte vor ihm zurück. Er erbleichte, seine Augen verwandelten sich in dunkle, zornige Löcher. Er ging über die Lichtung, wo Livia mit Arian stand, holte aus und streckte Arian mit einem Fausthieb nieder.
Meine Hände. Meine Hände waren blutverschmiert. Ich rieb sie an der Vorderseite meines Kleides, doch es war ebenfalls blutgetränkt. Das Blut ließ sich nicht abreiben. Zu spät. Zu spät, um es rückgängig zu machen.
Das wollte ich nicht.
»Frost?« Das war Livias Stimme, mittlerweile klang sie ruhig und sanft. Als ich die Vision in Rot verdrängte und aufblickte, sah ich sie vor mir knien. »Bleib ganz ruhig. Alles ist gut. Niemand wird dir etwas antun.«
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, hörte ich Arian leise und mitgenommen sagen. »Ich wollte nur … Ich weiß nicht …«
Arian saß auf der Erde. Luca stand mit geballten Fäusten vor ihm. Arian hielt die geöffneten Hände vor sich ausgestreckt und starrte sie an, als gehörten sie nicht zu ihm.
Als wären sie blutverschmiert.
Er sah mich an. Er schien genauso geschockt wie ich.
»Beachte ihn nicht weiter«, sagte Livia und half mir auf. »Luca nimmt ihn sich vor. Du kommst mit mir. Nach einer
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