Frostblüte (German Edition)
erschreckend schnell. Ich holte Luft und tauchte unter. Stachelige Zweige kratzten über meinen Kopf, als der Ast über mich hinwegtrieb. Ich stieß mit einem Schmerzensschrei zurück an die Oberfläche. Die Strömung riss mich weiter und meine Gelenke knirschten von der Anstrengung, mich dagegenzustemmen. »Arian! Antworte mir!«
Das Wasser zog mich wieder in die Tiefe und schlug über mir zusammen. Aber ich tauchte ein weiteres Mal auf, schnappte nach Luft und hielt, den Kopf wild umherdrehend, nach einem Anzeichen von ihm Ausschau. Doch meine Sicht war zu verschwommen. Plötzlich entdeckte ich etwas, ein kleines Stück vor mir. Ich blinzelte das Wasser aus den Augen. Ein Körper trieb den Fluss hinunter, wurde von der Strömung hin und her gerissen. Dunkle Haare schwebten wie eine Gewitterwolke im Wasser.
Ich begann zu schwimmen. Meine Lungen gaben hohle, keuchende Geräusche von sich, während ich mich zu ihm vorkämpfte. Der Fluss hob mich an, dann holte er mich zurück. Arians Arm trieb an mir vorbei. Ich streckte mich und packte mit meinen behandschuhten Fingern sein Handgelenk.
Die nächste Woge schwappte über uns. Ich schluckte Wasser, ruderte aber unablässig mit einer Hand und den Beinen. Ich durfte nicht noch einmal untergehen, sonst würde ich Arian mitziehen. Ich wartete darauf, dass ihn die nächste Welle näher bringen würde, dann drehte ich ihn und schob einen Arm unter seinem hindurch und über seine Brust. Sein Kopf sackte auf meine Schulter. Ich zog ihn hoch und versuchte seine Nase und seinen Mund über Wasser zu halten.
Sobald ich ihn sicher umfasst hielt, lenkte ich uns mit dem freien Arm, gleichzeitig trat ich kräftig mit den Beinen. Arians Gesicht war grau und reglos, ohne eine Spur von Leben. Durch die Handschuhe konnte ich nicht fühlen, ob das Blut unter seiner Haut noch pulsierte. Ich konnte nicht sagen, ob er atmete. Der Gedanke, dass ich möglicherweise seinen toten Körper umklammert hielt, war schrecklich. Er musste am Leben sein. Arian war eine Kämpfernatur – er würde nicht so leicht aufgeben.
Ich konnte ihn nur festhalten und dafür sorgen, dass er über Wasser blieb, wenn der Fluss wieder über uns zusammenschlug. Ich suchte die aufragenden Felswände zu beiden Seiten des Flussbetts nach einer Einbuchtung ab, einer Insel im Fluss – irgendeiner Stelle, an der ich Arian aus dem eisigen Wasser ziehen und mich vergewissern könnte, dass er noch am Leben war.
Aber ich entdeckte nichts dergleichen.
Tödliche Müdigkeit überkam mich. Das Wasser war zu kalt, die Strömung zu stark. Ohne es überhaupt wahrzunehmen, hatten meine Beine zu treten aufgehört. Bald musste ich Arians schlaffen Körper mit beiden Armen umklammern, ich hatte Angst, meine Hände könnten abgleiten und ich würde ihn loslassen. Meine Kehle war so rau, als hätte ich Säure getrunken.
Als der Fluss aus der schmalen Schlucht herausbrach, zog mich die Gewalt der Wogen ein weiteres Mal unter Wasser. Mein Lebenswille entflammte von neuem. Ich kämpfte mich, Arians Arm umklammernd, wieder an die Oberfläche – und stellte fest, dass das Wasser um uns ruhiger wurde und sich zu einem friedlichen Grün vertiefte.
Nun war es einfacher. Statt fortgerissen, hin und her geworfen und vollgespritzt zu werden, trieben wir dahin. Das Wasser fühlte sich fast warm an. Hoffentlich lag es daran, dass wir nicht mehr so hoch in den Bergen waren, nicht daran, dass die Kälte mich allmählich umbrachte. Noch immer ragten zu beiden Seiten des Flusses Felswände auf, die selbst dann zum Hochklettern zu steil gewesen wären, wenn ich mich nicht um Arian hätte kümmern müssen.
Mit der Zeit wurden die Felswände zu Steilufern, auf denen oben Pflanzen und Bäume wuchsen. Als die Steilufer von herabgestürzten Felsbrocken abgelöst wurden, die mit den großen kegelförmigen Umrissen der Pinien dahinter den Fluss säumten, lehnte ich mich im Wasser zurück und strampelte mit den Beinen. Arian zog ich mit letzter Kraft mit.
Die Strömung schien uns davonzureißen. Panisch und atemlos umklammerte ich Arian. Wenn wir es nicht bald aus dem Wasser schafften, würde es uns nie gelingen. Ich strampelte fester, ungeahnte Reserven gaben mir noch einmal Kraft. Mit einem letzten machtvollen Stoß manövrierte ich uns aus der Strömung. Wir trieben seitwärts aufs Ufer zu. Als uns die Bewegung herumwirbelte, entglitt mir Arian und ich schob schnell den Arm unter seinen Nacken, damit er nicht unterging. Seine Augen waren noch immer
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