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Frostfeuer

Frostfeuer

Titel: Frostfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bewegen!«, raunte sie.
    Maus rührte sich nicht. Ihr Herzschlag flatterte wie Mottenflügel. Sie hielt den Atem an.
    Die beiden Männer kamen näher und unterhielten sich leise. Es waren keine Stimmen, die sie kannte. Wahrscheinlich Polizisten in Zivil.
    Tamsin und Maus standen nah an der Wand, aber es gab hier kein Versteck für sie, keine Nische, keinen Mauervorsprung. Die Männer hätten sie eigentlich längst entdecken müssen. Maus versuchte, mit den Lidern zu klimpern, damit Tamsin wenigstens eine Hand herunternahm, sodass sie etwas sehen konnte. Aber Tamsins Finger pressten sich nur noch fester auf ihr Gesicht.
    Die Stimmen waren jetzt direkt vor ihnen. Maus hatte das Gefühl, nur den Arm nach den Männern ausstrecken zu müssen. Sie schwitzte. Wenn sie entdeckt wurden, würde man ihnen allerhand unliebsame Fragen stellen. Vielleicht würde man sie für Nihilisten halten, ganz besonders Tamsin, die sich offenbar bestens darauf verstand, Streit mit Leuten anzufangen, denen man besser aus dem Weg ging; tatsächlich schien das so etwas wie ihr Beruf zu sein. Erst jetzt wurde Maus bewusst, auf was sie sich eingelassen hatte. Fröstelnd musste sie daran denken, was Kukuschka ihr über das Gefängnis der Stille erzählt hatte.
    Sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht. Sie konnte das Herz der Magierin schlagen hören, viel langsamer als ihr eigenes. Dann wurde es von den Schritten der Männer übertönt, von ihren Stimmen, denn sie hörten nicht auf zu reden, obgleich sie Maus und Tamsin längst sehen mussten. Sie standen doch direkt vor ihnen!
    Maus hatte das Gefühl, ihre Füße nicht mehr zu spüren. Schwindel packte sie, aber sie regte sich nicht, blieb eng an Tamsin gepresst stehen und harrte der Dinge.
    Die Unterhaltung der Männer brach ab.
    Tamsins schlanke Finger fühlten sich sehr kühl auf Maus’ geschlossenen Augenlidern an. Sie wagte noch immer nicht, wieder Luft zu holen.
    »Hast du das gehört?«, fragte einer.
    Sie haben uns!, durchfuhr es Maus. Das war’s!
    »Kam von da drüben, oder?«, fragte der andere.
    »Sehen wir mal nach.«
    Die Stimmen waren jetzt so nah, dass Maus den Atem der Männer riechen konnte. Die Schritte verharrten unmittelbar vor ihr. Sie täuschte sich nicht: Die Polizisten waren höchstens noch zwei Fuß entfernt. Sie mussten sie einfach sehen!
    »Hier ist kein Mensch«, sagte der zweite Mann gelangweilt. »Wir können später nochmal herkommen und den Rest absuchen.«
    Der andere gab ein zustimmendes Knurren von sich, dann scharrten abermals ihre Sohlen auf dem groben Stein. Sie entfernten sich wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Maus holte erst wieder Luft, als Tamsin ganz langsam die Hände von ihren Augen nahm.
    »Puh«, flüsterte die Magierin und seufzte erleichtert. »Das war aufregend, was?«
    »Warum haben die uns nicht erwischt?«
    »Sie konnten uns nicht sehen.«
    »Aber warum?«
    Tamsin zuckte die Achseln. »Ich hab die Augen zugemacht. Und deine.« Sie hob ihren Koffer auf, klemmte sich den Regenschirm unter den Arm und sah Maus erwartungsvoll an. »Gehen wir weiter?«
    Maus öffnete den Mund, beließ es aber bei einem resignierten Stöhnen und lief voraus.
    Nach ein paar Minuten erreichten sie den Weinkeller. Maus schloss die Tür auf, ließ Tamsin den Vortritt und wollte den Schlüssel wieder im Schloss drehen, doch die Magierin hielt sie zurück. »Nein, lass das«, sagte sie.
    »Wenn die Tür verriegelt ist, werden sie den Raum dahinter nur umso gründlicher durchsuchen.«
    »Was ist mit dem Licht?«, wollte Maus wissen. »Wir müssen ans andere Ende des Weinkellers, und dort gibt es keinen Schalter. Entweder wir lassen es an, oder wir müssen durchs Stockdunkel.« In der Tunnelkammer hatte sie eine Lampe, aber auf dem Weg dorthin würden sie sich in der Finsternis noch mehr blaue Flecken holen.
    Tamsin flüsterte etwas in das offene Ende des geschlossenen Regenschirms. Ganz kurz schien er sich widerstrebend in ihren Händen zu winden, dann flammte ein mattes Licht an seiner Spitze auf.
    »Besser?«, fragte Tamsin.
    »Angeberin.« Maus nahm die Hand vom Drehschalter des Kellerlichts und führte Tamsin durch die drei lang gestreckten Gewölbe an Reihen aus Flaschenregalen und Fässern vorbei.
    »Ist das der Keller, in dem du zur Welt gekommen bist?«
    »Ja.« Maus erreichte das hinterste der Weinfässer. Ächzend rollte sie es beiseite und legte den Zugang zu dem blinden Tunnel frei.
    Tamsin stieß einen

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