Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
und wund, meine Augen waren mit getrockneten Tränen verkrustet, und ich fühlte mich … einfach krank von dem, was ich in Prestons Geist gesehen hatte. Seine schreckliche, grauenhafte Erinnerung an den Mord an meiner Mom.
Es kostete mich ungefähr zwei Minuten, um zu erkennen, dass die Statue verschwunden war.
Ich war in einem Häufchen Elend zu Nikes Füßen zusammengesackt, aber nun befand sich an der Stelle, wo sonst die Statue stand, nur noch leere Luft. Ich sprang auf und sah mich um, aber alle anderen Statuen standen immer noch auf der Galerie an ihren Plätzen, und alle sahen in dieselbe Richtung – nach unten in das Erdgeschoss der Bibliothek der Altertümer. Nur Nike fehlte. Ich trat ein paar Schritte von ihrem Podest zurück …
»Hallo, Gwendolyn«, rief mir eine sanfte Stimme zu.
Irgendwie schaffte ich es, nicht laut aufzuschreien. Stattdessen drehte ich mich langsam um, und da war sie – Nike. Sie sah genauso aus wie bei unserer letzten Begegnung, in der Nacht, als Jasmine versucht hatte, mich in der Bibliothek zu töten.
Nike mochte ja die griechische Göttin des Sieges sein, aber sie war außerdem die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Das Haar fiel ihr über die Schultern, und die sanften braunen Wellen schimmerten wie dunkle Bronze. Eine elegante Robe aus fliederfarbenem Stoff floss wie Wasser um ihren Körper, während sich ein dünner, silberner Gürtel um ihre Taille schlang. Der Gürtel passte zu der Krone aus silbernen Blättern, die sich um ihr Haupt rankte – Lorbeeren, das Symbol des Sieges. Weiche, fedrige Flügel wuchsen aus dem Rücken der Göttin und ließen sie wirken, als wollte sie jeden Moment abheben.
Nike sah wirklich gut aus, aber was sie so umwerfend machte, war die pure Macht, die sie ausstrahlte – kalt, schön und gleichzeitig schrecklich.
»Okay«, sagte ich. »Wir machen wieder das Ding mit der Traumwelt, oder? Wir sind in der Bibliothek, aber eigentlich sind wir nicht wirklich dort? Deswegen sehe ich im Moment auch keine Schüler im Erdgeschoss?«
Dasselbe war schon letztes Mal passiert, als ich mit der Göttin gesprochen hatte. In einer Minute hatte ich in der Bibliothek gegen Jasmine gekämpft. In der nächsten war ich immer noch in der Bibliothek gewesen, aber jeder abgesehen von mir, der Göttin und Vic war verschwunden.
Nike lachte und trat näher. »Etwas in der Art.«
Die Göttin suchte meinen Blick, und ich hatte das Gefühl, als könnte ich ihr für immer in die Augen sehen. Sie hatten eine seltsame Farbe, nicht wirklich Purpur, aber auch nicht Grau, genau wie Vics Auge. Die Farbe erinnerte mich an die Dämmerung, kurz bevor die Dunkelheit hereinbrach und das Land für die Nacht in Schwärze tauchte.
Vielleicht hätte ich demütiger sein sollen, vielleicht auch respektvoller, aber jetzt, da die Göttin direkt vor mir stand, konnte ich nicht anders, als die Fragen zu stellen, die mir auf dem Herzen brannten.
»Warum haben die Schnitter meine Mom getötet? Was wollten sie? Was haben sie vor? Wie kann ich sie aufhalten? Was soll ich jetzt tun ?«
Nikes Miene war freundlich, aber um ihre Mundwinkel spielte Trauer. »Geh ein Stück mit mir, Gwendolyn.«
Ich schloss mich der Göttin an, und wir wanderten die Galerie entlang, an den anderen Statuen der Götter und Göttinnen aus den verschiedenen Kulturen der Welt vorbei. Vielleicht lag es an meiner Gypsygabe, oder vielleicht war es auch nur Einbildung, aber ich hatte das Gefühl, dass alle Steinfiguren mich anstarrten und eine nach der anderen den Kopf drehten, um uns bei unserem Weg über die Galerie zu beobachten. Mir lief ein kalter Schauder über den Rücken, und ich schlang die Arme um mich, während ich den Blick von den Statuen abwandte. Ich wusste nicht, was ich noch sehen würde, wenn ich weiter hinsah. Ein Teil von mir wollte es auch gar nicht wissen.
Schließlich sprach Nike. »Vor langer Zeit, nachdem Loki im letzten Kampf des Chaoskrieges besiegt worden war, vereinten die anderen Götter und ich unsere Kräfte und kerkerten Loki abseits der menschlichen Welt ein, sperrten ihn in andere Gefilde, eine andere Dimension. In eine Art Gefängnis, wenn du es so nennen willst.«
»Ein wenig wie die Bibliothek, die ich hier sehe, ein Spiegelbild der echten Bibliothek ist, in der ich grade schlafe … oder was auch immer?«
Sie nickte. »Die Götter platzierten sieben Siegel an Lokis Gefängnis und nutzten verschiedene Artefakte und andere magische Schutzmechanismen, um ihn gefangen zu
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