Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
Tatsache, dass ich die Hand in eine der Taschen von Kenzies Lederjacke gleiten ließ, während ich mit der Linken Apfelsaft vom Stuhl wischte.
Schließlich war ich fertig mit Aufwischen und warf ihnen noch ein schuldbewusstes Lächeln zu. Dann lehnte ich mich vor, nahm Kenzies Jacke und drückte sie ihm in die Hand.
»Komm, Talia«, sagte Kenzie und starrte mich böse an, während er seine Lederjacke ergriff und anzog. »Lass uns hier verschwinden, bevor Gwen beschließt, dass sie uns noch etwas anderes überkippen möchte.«
Ich schickte ihnen noch ein entschuldigendes Lächeln hinterher, als sie davonstürmten. Die beiden bemerkten nicht, dass ich die Hand in die Tasche meines purpurnen Kapuzenpullis schob und eine kleine, weiße Plastikkarte herausholte.
Aus unseren gemeinsamen Trainingsstunden wusste ich, dass Kenzie seinen Geldbeutel immer in der rechten Jackentasche trug. Ich war einfach davon ausgegangen, dass er es mit der Schlüsselkarte genauso hielt. Ausnahmsweise hatte ich tatsächlich Glück gehabt. Die Karte war lose in der Tasche herumgerutscht, anstatt sicher in seinem Geldbeutel verstaut zu sein.
»Zimmer 822, ich komme«, flüsterte ich.
Ich folgte Kenzie und Talia diskret zurück in die Hotellobby, wo ich hinter eine kleine Zeder trat, damit sie mich nicht bemerkten. Genau wie ich gehofft hatte, wartete Oliver bereits am Haupteingang auf sie. Beide Spartaner mussten unterwegs sein, damit ich ihr Zimmer durchsuchen konnte.
»Was hat euch so lang aufgehalten?«, fragte Oliver mit einem Stirnrunzeln. »Wir wollten doch schon vor fünf Minuten die Pisten stürmen.«
Ich verstand Kenzies Antwort nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was er gerade über mich sagte. Gwen Frost, dieses trampelige Gypsymädchen. Die drei verließen das Hotel und gingen Richtung Bergdorf. Ich schlenderte zur Tür und spähte durch das Glas. Wenn sie Skifahren gingen, würden sie nicht allzu bald zurückkommen. Gut. Ich drehte mich um und hielt auf die Fahrstühle zu.
Bevor ich Olivers Zimmer durchsuchte, hatte ich noch etwas zu erledigen. Ich fuhr mit dem Aufzug in den dreizehnten Stock, ging in mein eigenes Zimmer und nahm Vic vom Bett. Ob Oliver nun ein Schnitter war oder nicht, jemand hatte mich bereits viermal fast getötet, und ich wollte vorbereitet sein, falls er es noch mal versuchte. Außerdem konnte es bei meinem Glück leicht passieren, dass Oliver aus irgendeinem Grund zurückkam, bevor ich das Notizbuch gefunden hatte. Was auch immer geschehen würde, ich war davon überzeugt, dass es nicht schaden konnte, das Schwert mitzunehmen.
Vics Auge öffnete sich, als ich seine schwarze Lederscheide hochhob.
»Ich erkenne das wahnsinnige Funkeln in deinen Augen. Du hast etwas vor, Gwen«, sagte er. »Was ist es? Und besteht die Chance, dass ich heute mal töten darf? Vielleicht einen Schnitter?«
»Wenn alles nach Plan läuft, wirst du heute niemanden töten«, sagte ich und zog den Reißverschluss meines Kapuzenpullis nach unten. »Aber vielleicht schaffen wir es, den Kerl zu fangen, der versucht hat, mich umzubringen.«
Vic schnaubte. »Immer die nervige Pazifistin. Du kannst mich ja wecken, wenn es ans Töten geht. Bis dahin schlafe ich weiter.«
Er klappte sein Auge wieder zu.
Ich band mir Vic in seiner Scheide um die Hüfte, dann schloss ich den purpurnen Kapuzenpulli wieder. Das lange Kleidungsstück verbarg die obere Hälfte des Schwertes und Vics glänzendes Heft. Die untere Hälfte der Scheide hing neben meinem linken Bein nach unten, aber da meine Jeans so schwarz war wie das Leder, fiel die Scheide nicht sonderlich auf. Außerdem hatten alle anderen Jugendlichen ihre Waffen auch eingepackt, und ich bezweifelte, dass irgendwer mir auch nur einen zweiten Blick schenken würde. Trotzdem, wenn der Schnitter mich wieder angriff, merkte er vielleicht nicht, dass ich das Schwert trug, bis es zu spät war – für ihn.
Ich starrte mich im Spiegel an. Lockiges, dunkelbraunes Haar, winterweiße Haut, ein paar Sommersprossen auf den Wangen, purpurne Augen und ein Schwert an der Hüfte. Vielleicht war es ja seltsam, aber ich hatte heute nicht das Gefühl, dass ich wirklich aussah wie ich selbst. Im Moment ähnelte ich eher jemand anderem – jemandem, der stark und selbstbewusst war und nur darauf wartete, einem Schnitter in den Hintern zu treten. Ich schüttelte den Kopf, und das Gefühl verschwand. Das Bild wurde durch mein normales, langweiliges Gesicht ersetzt,
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