Frostglut
sich wieder in eine sitzende Position aufgerichtet. Nach dem Schlag des Schnitters rann Blut aus ihrem Mundwinkel. Die Professorin starrte mich an, aber sie riet mir nicht noch mal zur Flucht. Wir wussten beide, dass es keinen Sinn mehr hatte – jetzt nicht mehr.
Also wandte ich mich von ihr ab und ging zur Mitte der Bühne. Meine Turnschuhe quietschten auf dem glatten Holzboden. Ich warf einen Blick auf die zusammengekauerten Schüler. Daphne, Carson, Oliver und Kenzie erwiderten den Blick. Sie wirkten mindestens so aufgebracht und besorgt wie Metis. Daphne deutete immer wieder mit dem Kopf zum vorderen Teil der Bühne, als wollte sie mir etwas sagen. Leider verstand ich einfach nicht, was. Und immer noch konnte ich Logans Gesicht nicht erkennen, sondern sah nur seinen gebeugten Kopf. Er hatte sich die ganze Zeit über nicht bewegt.
Als ich mich Agrona auf ungefähr fünf Meter genähert hatte, riss sie eine Hand hoch. »Das ist nah genug, Gypsy.«
Ich hielt an und starrte sie böse an. »Ich bin hier. Sie haben, was Sie wollten. Also lassen Sie Nickamedes gehen. Jetzt sofort.«
Ich dachte schon, sie würde es nicht tun, doch dann löste Agrona ihren Säbel vom Hals des Bibliothekars und trat einen Schritt zurück. Vivian verschränkte die Arme vor der Brust und schenkte mir ein höhnisches Lächeln.
»Du bist so eine Idiotin, Gwen«, sagte das Schnittermädchen. »Denn jetzt werden wir dich und deine Freunde umbringen.«
»Das weiß ich«, antwortete ich. »Ich dachte nur, es würde vielleicht Spaß machen, aus der Nähe zu beobachten, wie Agrona dich noch mal schlägt. Weißt du, noch vor ein paar Wochen dachte ich, du hättest bei den Schnittern das Sagen. Aber du bist nur ein weiterer kleiner Befehlsempfänger, oder, Viv? Du gibst keine Befehle. Du gehorchst ihnen.«
Die Wangen des Schnittermädchens röteten sich vor Wut, und die Knöchel der Hand, die um Lucretias Heft lag, traten weiß hervor. Vivian wollte sich in Bewegung setzen, aber Agrona hob ihren Säbel und stoppte das Mädchen.
»Lass mich sie umbringen«, knurrte Vivian. »Jetzt. Damit wir das endlich erledigt haben.«
Agrona schüttelte den Kopf. »Du hattest zweimal deine Chance, und beide Male hast du jämmerlich versagt. Außerdem brauchen wir ein Blutopfer für den nächsten Teil des Rituals, und ich denke, dafür eignet sich Gwen recht gut. Du weißt doch, wie viel Macht das Blut eines Champions besitzt, besonders das von Nikes Champion. Das wird es viel einfacher machen, Lokis Seele zu transferieren.«
Ich spannte mich an, bereit, jeden Angriff zu parieren. Doch statt ihren Säbel zu heben und mich damit anzugreifen, schlenderte Agrona zu Logan. Ich konnte das Gesicht des Spartaners immer noch nicht erkennen … aber er musste einfach wissen, dass ich hier war – dass ich versuchte, ihn zu retten.
Ich erhaschte aus dem Augenwinkel eine Bewegung und drehte den Kopf. Da bemerkte ich, dass immer mehr pinke Magiefunken um Daphne tanzten. Das Gesicht der Walküre zeigte Verzweiflung.
»Lauf weg!«, formte sie mit den Lippen.
Aber ich konnte nicht weglaufen. Ich musste Logan retten. Ich musste alle in diesem Raum retten, und das bedeutete, Morgan, Alexei und Grandma Frost so viel Zeit wie möglich zu erkaufen. Sie hatten sicherlich ihre Positionen schon eingenommen. Ich musste nur noch ein paar Minuten durchhalten …
»Logan«, sagte Agrona übermäßig freundlich. »Tu mir einen Gefallen. Nimm dieses Schwert und bring damit Gwen um, bitte.«
Bei ihren Worten riss ich den Kopf herum. Logan? Mich umbringen? Das würde er niemals tun. Mir war vollkommen egal, was für ein unheimliches Ritual Agrona und die anderen Schnitter an ihm vollzogen hatten. Mir war egal, in was für eine Art willenlosen Zombie sie ihn verwandelt hatten. Ich kannte den Spartaner. Ich liebte ihn, und er liebte mich. Er würde mir nie wehtun – niemals .
Logan hob die Hand und nahm Agronas Waffe. Sorge überschwemmte mich, trotzdem wich ich nicht von der Stelle.
»Komm schon«, flötete Agrona. »Sei ein braver Junge.«
Langsam stand der Spartaner auf. Er wandte mir immer noch den Rücken zu. Agrona trat zurück, und mir fiel auf, dass die Juwelen an ihrem Schmuck jetzt noch heller leuchteten. Ich konnte fühlen, dass von den Edelsteinen eine Macht ausging – dieselbe bösartige Macht, die ich gefühlt hatte, als Loki mich aus seinem brennenden roten Auge angestarrt hatte. Mein Grauen vertiefte sich um ein Vielfaches, besonders als Logan das Schwert in
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