Frostglut
ich. »Du bist umzingelt!«
Das war eine Lüge, trotzdem hob ich mein Schwert und ging auf den Schnitter zu, als wäre der Kampf bereits beendet, als wären Logan und meine Freunde wirklich hier, um mir zu helfen. Der Schnitter schnaubte. Er glaubte mir keine Sekunde. Ich packte Vic fester, weil ich erwartete, dass der bösartige Krieger mich angriff. Stattdessen tat der Anführer etwas vollkommen Unerwartetes – er drehte sich um und rannte davon.
»Worauf wartest du?«, schrie Vic. »Fang diesen verdammten Schnitter, damit wir ihn in blutige Streifen schneiden können!«
Ich holte tief Luft und nahm die Verfolgung auf. Der Schnitter raste den Gang entlang, dann lief er im Zickzack durch die Regalreihen. Er brach erst nach rechts aus, dann an einer Kreuzung wieder links, dann rechts, rechts, rechts und schließlich wieder links. Mit jedem Schritt fiel ich etwas zurück, bis ich den anderen Krieger gerade noch im Blick behalten konnte.
»Streng dich an, Gwen!«, schrie Vic. »Du verlierst ihn!«
Als hätte ich das nicht schon selbst bemerkt. Wieder holte ich tief Luft und zwang mich, ein gutes Stück schneller zu laufen. Schließlich bog ich um eine Ecke – und musste feststellen, dass der Schnitter verschwunden war.
Ich wurde erst langsamer, dann hielt ich an. Ich sah mich suchend nach dem Schnitter um, erst links, dann rechts, doch ich entdeckte nur Bücher und noch mehr Bücher, zusammen mit ein paar Studiertischen und Ausstellungsvitrinen. Frust stieg in mir auf, trotzdem suchte ich weiter. Nichts – absolut gar nichts.
Ich wollte gerade einen Gang entlanggehen, als ein kühler Windzug mein Gesicht traf.
Ich kniff die Augen zusammen. Die Bibliothek war klimatisiert, um all die Bücher und Artefakte zu schützen. Es sollte hier keinen Windzug geben – außer jemand hatte ein Fenster oder eine Tür geöffnet.
Ich folgte der Brise, trat um ein weiteres Regal herum und fand mich vor einem der Seiteneingänge der Bibliothek wieder. Die Tür stand weit offen. So also war der Schnitter verschwunden. Ich umklammerte Vics Heft, während ich mich langsam durch die Tür schob und nach draußen spähte.
Die Nacht hüllte den oberen Hof ein, und alles lag in tiefschwarzen Schatten. Während meines Aufenthalts in der Bibliothek war ein wenig Schnee gefallen, und die weißen Stellen bildeten silbrige Pfützen in der Dunkelheit. Die Galerie, die sich um das Gebäude zog, war menschenleer, genauso wie der Teil des oberen Hofes, den ich überblicken konnte. Ich trat nach draußen und ging zu der Mauer, die sich um die Galerie zog. Dann starrte ich in die Dunkelheit, in der Hoffnung, den Schnitter zu entdecken, wie er über das schneebestäubte Gras rannte. Doch ich kam zu spät.
Der Schnitter war verschwunden – genauso wie die Artefakte, die er gestohlen hatte.
Angewidert von mir selbst, weil ich den Schnitter nicht gefangen hatte, eilte ich zurück in die Bibliothek. Ich achtete sorgfältig darauf, die Tür ordentlich hinter mir zu schließen. Ich bezweifelte nicht, dass meine Freunde die restlichen Schnitter inzwischen erledigt hatten, also kehrte ich zu der zerschlagenen Vitrine zurück. Ich wollte genau wissen, was sich darin befunden hatte und wie man diese Gegenstände gegen das Pantheon einsetzen konnte.
Der Schnitter hatte die Deckplatte der Vitrine eingeschlagen. Holzstücke und Glasscherben bedeckten den Boden. Einige Bücher waren aus dem Regal über dem Glaskasten gefallen und vergrößerten das Chaos noch. Daher kostete es mich ein paar Minuten, alles zu durchsuchen und die Karten zu finden, die in der Vitrine gelegen hatten.
Zu meiner Überraschung gab es nur eine einzige Karte, trotz all der Gegenstände, die der Schnitter sich geschnappt hatte.
Apates Andenkenschatulle . Dieser Schatulle und den Schmuckstücken darin wird nachgesagt, Apate gehört zu haben, der griechischen Göttin der Täuschung. Apate war für ihre Liebe zu Juwelen bekannt und sammelte so viel Schmuck, dass die anderen Götter neidisch wurden. Um ihre Besitztümer sicher zu verwahren, legte Apate einen Zauber auf die Schatulle, der dafür sorgte, dass die Schatulle leer wirkte, wenn irgendwer außer ihr selbst sie öffnete. Niemand sah die Preziosen darin.
Okay, also war die Schatulle mit irgendeinem magischen Hokuspokus aufgeladen, irgendeiner Illusion, die das sicherte, was sich darin befand. Ich runzelte die Stirn. Der Karte nach war keine große Magie mit der Schatulle verknüpft, und über die Schmuckstücke selbst
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