Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
weiß, Süße«, sagte sie. »Ich habe auch keinen Appetit.«
Grandma setzte sich an den Küchentisch und nahm meine Hände in ihre, genau wie sie es vorhin bei Logan getan hatte. Ich schloss die Augen, um mich von der Wärme ihrer Liebe erfüllen zu lassen und die schrecklichen Geschehnisse des Tages für einen Moment zu vergessen.
»Wird es jemals einfacher?«, fragte ich leise, als ich die Augen wieder öffnete. »Zu wissen, wie die Schnitter andere Krieger verletzen? Zu sehen … was sie den Leuten antun? Nachdem ich mich Jasmine und Preston Ashton gestellt hatte, dachte ich, ich wüsste, wozu die Schnitter fähig sind. Aber das heute im Kolosseum, das war einfach … grauenhaft.«
Grandma schüttelte den Kopf. »Ich würde dir gerne erzählen, dass es einfacher wird, dass du dich an das Blut und die Gewalt gewöhnst, aber das wäre eine Lüge. Ich kann nur für dich da sein, Gwen. Ich werde immer für dich da sein, egal was passiert – darauf kannst du dich verlassen.«
Ich dachte an meine Mom und daran, dass sie mir dasselbe versprochen hatte. Dass sie mich liebte, egal was geschah, und dass sie immer für mich da sein würde. Aber meine Mom war mir genommen worden, brutal ermordet von dem Schnittermädchen.
Der Tod meiner Mom würde nicht ungestraft bleiben.
Mir war egal, was ich tun musste, aber ich würde herausfinden, wer das Schnittermädchen war – und dann würde ich sie umbringen. Vielleicht war ich damit kein Stück besser als die Schnitter, aber das kümmerte mich nicht. Nicht nach dem, was ich heute gesehen hatte, nicht nachdem das Schnittermädchen mich mit dem Mord an meiner Mom verhöhnt hatte.
Doch ich zwang mich, diese dunklen Gedanken zu verdrängen, zumindest für den Moment. Heute saß ich in Grandma Frosts Küche, und darauf wollte ich mich konzentrieren. Morgen würde ich zurückgehen auf die Mythos Academy und meine Suche nach dem Helheim-Dolch beginnen, aber für heute war ich sicher. Ich wollte dieses Gefühl genießen, solange es noch andauerte.
Grandma und ich saßen lange, lange Zeit in der Küche und hielten uns einfach nur an den Händen.
Daphne beendete das Gespräch mit ihren Eltern und kam in die Küche, aber niemand von uns hatte Lust zu reden oder zu essen. Die Walküre war immer noch erschöpft von dem Erwachen ihrer Magie und der Heilung an Carson, also nahm sie eine heiße Dusche und ging ins Bett, obwohl es noch nicht einmal acht Uhr abends war. Grandma tat dasselbe und ich ebenfalls.
Ich wischte den Dampf vom Badezimmerspiegel und starrte mein Spiegelbild an. Nasses, lockiges Haar, ein paar Sommersprossen auf meiner winterbleichen Haut und Augen in einem seltsamen Violett. Ich hatte mir das Blut abgewaschen, das während des Angriffs auf mich gespritzt war, und hatte meine Klamotten in den Müll gestopft, aber unter der Oberfläche lauerten die schrecklichen Erinnerungen weiterhin. Ich zitterte und senkte den Blick.
Da ich nicht schlafen konnte, zog ich meinen purpurnen Bademantel an und stieg die Treppe in den zweiten Stock hoch. Eigentlich war es ein Speicher, auch wenn Grandma ein paar Möbel für mich hineingestellt hatte. Nachdem meine Mom gestorben war, hatte ich hier Stunden damit verbracht, einfach aus dem Fenster zu starren, zu weinen und mich zu fragen, warum mir meine Mom so plötzlich und auf so grausame Art genommen worden war. Ich musste mich tausendmal nach dem Warum gefragt haben, auch wenn ich nie eine Antwort gefunden hatte.
Auch jetzt, da ich den wahren Grund kannte, wurde es nicht einfacher.
Ich schaltete eine Lampe an. Stapel um Stapel ramponierter Kartons bildeten im Speicher ein Labyrinth, das sich von einem Ende des Hauses bis zum anderen erstreckte. In den meisten Kisten befand sich das übliche Zeug: alte Zeitschriften, die wegzuwerfen Grandma irgendwie nie geschafft hatte, abgetragene Kleidung, die nicht mehr passte, Weihnachtsschmuck, den wir bis zum nächsten Jahr weggeräumt hatten.
Aber in den Stapeln gab es auch ein paar neuere Kisten – Kisten, die bis zum Rand gefüllt waren mit den Sachen meiner Mom. Ihre Kleidung, ihre Bücher, ihr Schmuck, selbst ihr Make-up und eine Flasche von ihrem geliebten Fliederparfüm. Alles, was meine Mom zurückgelassen hatte, als sie letztes Jahr ermordet worden war. All die Gegenstände des täglichen Lebens, die sie dank des Schnittermädchens nie wieder benutzen konnte.
Ich hatte diese Kisten seit ihrem Tod nicht angeschaut, aber jetzt war es notwendig. Während der Ferien hatte ich
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