Frostherz
Geschwindigkeit in dieses hatten hineinfahren sehen. Seine Müdigkeit war mit einem Schlag fort. Und doch fühlte sich sein Kopf an wie in Nebel gehüllt. Anne, dachte er, Anne – hoffentlich war ihr nichts geschehen!
»Ich war zu Hause«, antwortete er.
»Gibt es dafür Zeugen?« Sie klang nicht misstrauisch, nur korrekt. Aber sie machte ihm Angst. Denn er musste mit »Nein« antworten.
»Meine Mutter ist im Krankenhaus, wo mein Vater war, weiß ich nicht. Er hat viele Abendtermine, wir sehen uns selten.«
Die Kommissarin holte einen braunen Umschlag hervor, dem sie ein DIN-A4 großes Bild entnahm. Es war die körnige, eher braun- als schwarz-weiße Aufnahme aus einer Überwachungskamera. Man sah eine Bushaltestelle, Menschen, jemand lag auf dem Boden – und ein Motorrad, das sich entfernte.
»Wir konnten das Kennzeichen entziffern«, erläuterte Fehlmayer sachlich. »Es ist auf Sie zugelassen.« Sie schwieg, ließ ihm Zeit, eine Antwort zu finden. Der Nebel wurde immer dichter. Was nicht unangenehm war.
»Herr Rosen, haben Sie mich verstanden?«, fragte sie nun doch nach. Cornelius räusperte sich.
»Mir wurde das Motorrad gestern Nachmittag gestohlen«, sagte er. Er wusste, dass es wie eine faustdicke Lüge klang. Die Kommissarin legte den Kopf schief.
»Warum haben Sie das nicht gemeldet?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Weiß nicht. Dachte, es taucht wieder auf.«
Ein kurzes Schürzen ihrer Mundwinkel wies darauf hin, dass sie ungeduldig wurde.
»Herr Rosen, Ihnen ist der Ernst der Situation nicht klar. Ich habe hier noch ein weiteres Foto…«, sie zog es aus demselben Umschlag. »Da wurden Sie geblitzt – weil Sie auf einer Ausfallstraße statt 70 knapp 110 fuhren. Und nur einen Tag später stellte Ihnen mein Kollege POW Huber eine Verwarnung aus, weil Sie in einer Tempo-30-Zone zu schnell fuhren.«
Cornelius betrachtete den Fußboden, voller Krümel war er. Er nickte vorsichtig.
»Vielleicht haben Sie ein Problem mit der Handhabung Ihres Motorrades? Allzu lange sind Sie damit ja noch nicht unterwegs.«
Er konzentrierte seine Kräfte und sah ihr ins Gesicht. Sie hatte graue Augen mit orangen Sprenkeln darin.
»Ich war an dem Abend zu Hause. Ich schwöre es!«
»Und wie kam Ihr Motorrad dann an den Unfallort?«
»Jemand anderes hat es gefahren!«
»Und wer?«
»Das weiß ich nicht. Wirklich nicht. Es war einfach weg. Ich war unterwegs gewesen, hatte es in der Gartenstraße geparkt, und als ich gegen 16.00 Uhr dorthin zurückkam, wo ich es abgestellt hatte, war es fort.«
»Und wo ist es jetzt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Dürfen wir mal einen Blick in Ihre Garage werfen – oder dorthin, wo Sie das Gefährt sonst abstellen.«
Seine Finger zitterten, als er das Tor zum Schuppen öffnete. Leuchtend strahlte das Rot des Motorrads in der frühen Morgensonne. Cornelius hielt sich am Türgriff fest.
»Ist das Ihres?«, fragte Fehlmayer und Cornelius empfand die Frage als nichts als zynisch. Natürlich war das seins.
»Aber ich bin gestern Abend nicht darauf gefahren!«
»Wir werden sehen«, sagte sie. »Jedenfalls ist das Motorrad beschlagnahmt. Ich schicke ein paar Kollegen, die es abholen werden. Und ich möchte Sie bitten, sich zu unserer Verfügung zu halten. Da kommen noch ein paar mehr Fragen auf Sie zu. Schönen Tag noch.«
Fassungslos blickte er ihr hinterher. Und doch brachte er noch die Kraft für eine Frage auf, schneller gesprochen als gedacht.
»Das Mädchen«, rief er. »Wie geht es ihr? Und sagen Sie mir Ihren Namen?«
»Das darf ich nicht«, erwiderte die Kommissarin. »Sie wird wohl durchkommen. Ihre Mutter hat heute Morgen Bescheid gesagt, dass sie nach der Nacht nun stabil ist.«
»Danke«, sagte er und schämte sich für sein kleines Lächeln. Anne konnte es nicht sein. Gott sei Dank!
Irritiert sah sie um kurz nach elf auf die Uhr. Sie fuhr hoch. Warum hatte sie niemand geweckt? Und dann war alles wieder da. Sie hatte Ami einen Stoß gegeben. Sie wusste nicht einmal, ob Ami überlebt hatte. Der Krankenwagen war mit Blaulicht und Sirene fortgefahren, das hatte sie wahrgenommen. Aber dann – nichts mehr.
Der Boden unter ihren Füßen war angenehm kühl, aber dennoch hatte sie Sorge, dass er wegkippen könnte. Aus der Küche drangen ihr leise Stimmen entgegen, die sofort verstummten, als sie die Tür berührte. Johann sprang auf, kam zu ihr und legte die Arme um sie.
»Wie geht es dir, mein Schatz?«
»Warum habt ihr mich nicht geweckt?« Maulig klang
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