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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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hatte.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung und drehte mich in diese Richtung. Die Göttin saß mehrere Schritte entfernt auf einem breiten, flachen Felsen, und ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht.
    »Hallo, Gwendolyn«, sagte Nike.
    Ich schaute mich um. Der Schnee, die Felsen und die Kiefern, die sich über uns erhoben, sahen genauso aus wie als ich die Höhle betreten hatte. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch bald musste es dämmern, denn die ersten silbernen und blauen Streifen am Himmel gingen bereits langsam in das helle Orange des Sonnenaufgangs über.
    »Hi«, antwortete ich Nike schließlich. »Also ziehen wir wieder diese seltsame Traumsache durch, hm?«
    Die Göttin lächelte mich weiter an. »Wenn du es so sehen willst.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Kopf explodieren wird, wenn ich versuche eine andere Erklärung zu finden.«
    Die Göttin lachte, und das Geräusch schwappte über mich hinweg wie die hohe, leise Melodie eines Windspiels in einer warmen Brise. Nike tätschelte den Felsen neben sich, also ging ich hinüber und ließ mich neben sie sinken. Einige Augenblicke saßen wir schweigend da.
    »Also«, fragte ich. »Bedeutet das, dass Logan und ich lebend von diesem Berg runterkommen?«
    »Wieso solltest du etwas anderes glauben?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Nun, für eine Weile stand es auf Messers Schneide. Mit all dem Schnee und Logans Wunde, während ich versucht habe, uns beide den Berg hinunterzuschleppen. War kein allzu amüsanter Ausflug.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, murmelte Nike. »Aber du hast getan, was nötig war.«
    »Was meinst du damit?«
    Die Göttin antwortete nicht. Stattdessen stand sie auf. »Komm«, sagte sie. »Lass uns spazieren gehen.«
    Verwirrt folgte ich der Göttin tiefer in den Wald. Nike schien wie eine Wolke über den Schnee zu schweben, und mir fiel auf, dass sie in der weißen Decke keine Fußabdrücke hinterließ. Ich drehte mich um und stellte fest, dass auch ich keine Spur erzeugte. Tatsächlich konnte ich nicht mal die feuchte Kälte des Schnees an meinen Beinen spüren. Unheimlich. Ein Schauder lief mir über den Rücken, dann beeilte ich mich, wieder zu der Göttin aufzuschließen.
    Nike hielt am Rand einer großen Lichtung an, und ich trat vorsichtig neben sie. Überall um uns herum erhoben sich Schneeverwehungen, an manchen Stellen bis zu einem Meter hoch, doch auf der Lichtung blühten aus irgendeinem Grund Wildblumen. Ihre grünen Stängel ragten durch den Schnee, und ihre blauen, pinkfarbenen, purpurnen und silbernen Blütenblätter glänzten wie Juwelen, die jemand auf einen weißen Marmorboden geworfen hatte.
    In der Mitte der Lichtung stand eine Frau. Ihr langer Samtumhang hatte denselben dunklen Grünton wie die Kiefern um uns herum, obwohl die Ränder des Stoffes in allen möglichen Farben schillerten – Pinktöne, Blauschattierungen, verschiedene Variationen von Purpur, Rot, Silber und Gold. Die Frau war nicht schön, auf jeden Fall nicht so schön wie Nike, doch ihr Gesicht war sanft und freundlich, obwohl ihr Mund auch von einer leisen Trauer sprach. Ihr schwarzes Haar war recht kurz, und die Spitzen rollten sich sanft nach innen. Ihre Haut war so fahl wie der Schnee, wodurch ihre Augen noch grüner wirkten. Irgendetwas an ihrem Gesicht wirkte vertraut, als hätte ich sie schon einmal gesehen, obwohl ich nicht einordnen konnte, wann oder wo.
    Während ich sie beobachtete, bewegte sich die Frau über die Lichtung. Sie trug keine Schuhe, doch der Schnee schien ihr nichts auszumachen, und auch sie hinterließ keine Spuren. Den Kopf hatte sie gesenkt, und sie sprach leise vor sich hin, als redete sie mit dem Teppich aus Wildblumen unter ihren Füßen. Ich konnte ihre Worte nicht verstehen, doch die Blumen schienen auf ihre Stimme zu reagieren. Ihre Stängel drehten sich, und ihre leuchtenden Blütenblätter reckten sich der Frau entgegen, als versuchten sie sich von ihrer besten Seite zu zeigen, um ihr zu gefallen.
    »Wer ist das?«, flüsterte ich.
    »Das«, antwortete Nike, »ist Eir.«
    Deswegen also wirkte ihr Gesicht so vertraut. Ich hatte sie auf Reliefs und als Statue in den Ruinen gesehen.
    »Das ist die nordische Göttin der Heilung?«
    Nike nickte. »Eir ist eine meiner ältesten, besten Freundinnen – und unsere stärkste Verbündete.«
    Wir beobachteten weiter Eirs Wanderung durch die Wildblumen. Plötzlich schoss ein Schatten über den Schnee, und ein Greif ließ sich aus dem Himmel fallen

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