Frostnacht
er es aussprach und verschwand. Auf diese Weise konnte ich zumindest zwischen die Regale verschwinden, wo mich niemand außer Alexei und Aiko weinen sehen würde.
Logan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will mich nicht verabschieden – ich will mich entschuldigen.«
Ich runzelte die Stirn. »Wofür entschuldigen?«
Er sah mich mit ernstem Blick an. »Dafür, dass ich weggelaufen bin, genau wie du gesagt hast.«
Diesmal war es an mir, den Kopf zu schütteln. »So habe ich das nicht gemeint. Nicht wirklich. Ich weiß, dass du einfach ein wenig Zeit brauchtest, um über alles nachzudenken. Ich sollte mich entschuldigen. Du warst derjenige, den die Schnitter verletzt haben – nicht ich. In der Höhle habe ich mich einfach nur benommen wie ein selbstsüchtiges, weinerliches Miststück. Du bist der stärkste, tapferste Mensch, den ich kenne, Logan. Was die Schnitter dir angetan haben, war absolut schrecklich, aber du hast es überlebt. Das ist das Einzige, was zählt. All die fiesen, verletzenden Dinge, die ich gesagt habe, tun mir leid – mehr leid, als du dir vorstellen kannst.«
In den letzten Tagen hatte ich viel Zeit gehabt, um über mich und Logan nachzudenken und auch darüber, was die Schnitter ihm angetan hatten. Sicher, ich war immer noch wütend und verletzt, aber inzwischen hatte ich auch verstanden, dass ein Teil von mir eifersüchtig auf Logan war – eifersüchtig auf die Tatsache, dass er den Schnittern und allem anderen den Rücken zuwenden konnte und ich nicht. Doch in Gefahr zu schweben, ein Ziel für Angriffe zu sein, wieder und wieder verletzt zu werden, das gehörte dazu, wenn man ein Champion war – gehörte dazu, wenn man Nikes Champion war. Und damit musste ich klarkommen, bis der zweite Chaoskrieg entschieden wurde – ob wir nun siegten oder nicht. In der Zwischenzeit wollte ich meinen Frust nicht an Logan auslassen, obwohl er doch mindestens so sehr gelitten hatte wie ich – wenn nicht sogar mehr.
Ich holte tief Luft. »Also, auf jeden Fall tut es mir einfach leid. Alles. Ich hoffe, du kannst mir vergeben.«
»Es gibt nichts zu vergeben«, erklärte Logan. »Denn du hattest recht. Ich bin weggelaufen. Es war einfacher, zu verschwinden, als hierzubleiben und mich dir zu stellen.«
»Du wolltest mich nicht sehen und damit ständig daran erinnert werden, dass du mich verletzt hast. Das verstehe ich – wirklich. Ich hätte wahrscheinlich an deiner Stelle dasselbe getan.«
Wieder schüttelte Logan den Kopf. »Nein, hättest du nicht. Du wärst hiergeblieben. Du hättest dich zusammengerissen und alles getan, was nötig ist, um die Schnitter zu besiegen und dafür zu sorgen, dass alle in Sicherheit sind. Weil du einfach so bist, Gypsymädchen. Und so will ich auch sein.«
»Was willst du damit sagen?«, flüsterte ich.
»Ich will sagen, dass ich zurück bin«, erklärte er. »Ich bin zurück an der Akademie, und ich werde wieder an deiner Seite kämpfen, Gypsymädchen. Ich liebe dich, und ich habe nicht vor, noch mal zu verschwinden.«
Bei seinen Worten stiegen so viele Gefühle in mir auf – Hoffnung, Erleichterung, Glück und auch ein Anflug von Angst. Angst davor, dass es nicht halten würde. Dass wieder irgendwas passieren würde. Dass er mich wieder verlassen würde. Doch ich zwang mich, ihm tief in die Augen zu sehen, um ihm zu zeigen, wie wichtig mir die nächste Frage war.
»Versprichst du es?«, flüsterte ich. »Versprichst du mir, dass du bleibst, egal was passiert? Denn ich weiß nicht … ich bin mir nicht sicher, was ich tun werde, wenn du wieder so verschwindest.«
»Ich verspreche es.«
Logan zeichnete ein X über sein Herz – dieselbe Art von seitlich versetztem X, das auch von den Narben auf meiner Brust und meinen Händen gebildet wurde. Dann grinste er, und es war wieder sein Grinsen – Logans attraktives, schiefes Grinsen, das ich so sehr liebte. In seinen blauen Augen standen keine Schuldgefühle. Keine Schmerzen. Keine Angst. Nur Entschlossenheit – und seine Liebe zu mir.
All die Wut, die Schmerzen und die Schuldgefühle, die ich mit mir herumtrug, seit Logan mich angegriffen und die Akademie verlassen hatte, lösten sich einfach auf. Vielleicht war es verrückt, doch all die Pein war einfach … verschwunden, und stattdessen fühlte ich eine Welle von Liebe und Sorge um Logan. Das Gefühl war so allumfassend, dass mein gesamter Körper zitterte. Logan hatte mir schon einmal gesagt, dass wir bereits zu viel Zeit voneinander getrennt verbracht
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