Frostnacht
je, die noch verbleibenden Artefakte zu finden, bevor Vivian, Agrona und der Rest der Schnitter sie in die Finger bekamen …
Klack-klack-klack. Klack-klack-klack.
Ich sah hinter mich. Nickamedes schlurfte langsam aus dem gläsernen Bürobereich. Mit der linken Hand drückte er ein paar Bücher an seine Brust. In der rechten hielt er den Stock, auf den er sich beim Gehen stützte. Der Bibliothekar spürte die Nachwirkungen des Giftes noch in den Beinen, und seine Schritte waren langsam und ein wenig unsicher.
Klack-klack-klack. Klack-klack-klack.
Nickamedes kam halbwegs gut voran, und Metis hatte erklärt, dass er sich mit der Zeit wahrscheinlich vollkommen erholen würde. Doch das leise, hohle Geräusch seines Gehstocks auf dem Boden sorgte dafür, dass eine neue Welle Schuldgefühle über mich hinwegschwappte – denn ich hätte so durch die Gegend schlurfen sollen, nicht er. Sobald ich herausgefunden hatte, wie genau der silberne Lorbeer wirkte, würde ich eines der Blätter auf Nickamedes anwenden, damit er wieder so stark und gesund wurde wie zuvor.
Trotz meiner Schuldgefühle zwang ich mich, Nickamedes anzulächeln, als er zu mir trat und die Bücher in seinem Arm auf den Tresen gleiten ließ.
»Was gefunden?«, fragte ich.
Ich war nicht die Einzige, die über Büchern brütete. Sobald Nickamedes aus der Krankenstation entlassen worden war, hatte er angefangen, Bücher zu sammeln, um sie in der Hoffnung durchzusehen, dass sich darin vielleicht Informationen über die silbernen Lorbeerblätter fanden.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht in diesen Büchern. Aber mach dir keine Sorgen, Gwendolyn, wir werden schon noch mehr über den Lorbeer herausfinden. Es wird nur eine Weile dauern.«
Ich musterte sein viel zu dünnes Gesicht und die müde herabhängenden Schultern und bemerkte, dass er sich viel zu fest auf den Stock stützen musste, um auf den Beinen zu bleiben. Wieder überschwemmten mich Schuldgefühle, begleitet von Wut. Nicht zum ersten Mal leistete ich mir und Nickamedes im Stillen ein Versprechen – dass die Schnitter für das zahlen würden, was sie ihm angetan hatten.
»Gwendolyn?«
»Ja.« Ich verdrängte meine finsteren Gedanken und zwang mich, ein wenig strahlender zu lächeln. »Ich weiß, dass Sie etwas über die Blätter finden werden. Es wird nur eine Weile dauern, wie Sie gesagt haben.«
»Auf jeden Fall«, antwortete er, »kannst du die hier wieder einräumen. Ich habe in meinem Büro noch ein paar Bücher, die ich durchsehen will. Außerdem will ich ein wenig über die Mistel recherchieren, nur für den Fall, dass auch sie besondere Eigenschaften besitzt.«
Ich nickte. Nickamedes schenkte mir ein müdes Lächeln, bevor er sich langsam umdrehte und wieder durch die Glastür verschwand. Ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, um sicherzustellen, dass er wohlbehalten in seinem Büro ankam. Erst als er hinter seinem Schreibtisch saß, wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen zu.
Ich wollte gerade nach den Büchern greifen, um sie einzuräumen, da hörte ich Schritte. Als ich aufsah, kam Logan auf mich zu.
Mein Herz machte einen Sprung, als ich ihn sah. In den letzten Tagen waren Logan und ich uns nicht oft begegnet, da er viel Zeit mit Nickamedes verbracht hatte, um sicherzustellen, dass der Bibliothekar sich ausruhte und es langsam angehen ließ, wie Metis es ihm befohlen hatte. Aber ich hatte auch keine Albträume mehr gehabt, dass Logan mich erstach. Unsere gemeinsame Zeit auf dem Berg hatte zumindest diesen Ängsten ein Ende bereitet.
Mein Blick glitt über Logans Gesicht. Seine fein geschnittenen Züge waren so attraktiv wie immer, doch irgendetwas an ihm wirkte … anders. Vielleicht lag es an der entschlossenen Haltung seiner Schultern oder an der Art, wie er den Blick direkt auf mein Gesicht richtete, statt zur Seite zu sehen, wie er es auf dem Berg so oft getan hatte. Es wirkte einfach, als ginge es ihm … besser.
Logan hielt vor dem Tresen an und schob die Hände in die Taschen seiner dunklen Jeans.
»Hi«, sagte er sanft.
»Hi.«
Er sah mich an, und ich erwiderte den Blick, während ich mich fragte, ob das wohl das letzte Mal war, dass ich ihn sehen würde. Nach ein paar Sekunden konnte ich das Schweigen einfach nicht mehr ertragen – und auch nicht die Art, wie sich mein Herz allein bei dem Gedanken, dass er wieder verschwinden könnte, schmerzhaft zusammenzog.
»Willst du dich verabschieden?«, fragte ich, weil ich mir einfach wünschte, dass
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