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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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blauen Augen wirkten stumpf und leer, und er schwankte leicht, als fiele es ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten.
    »Nickamedes?«, fragte ich.
    Der Bibliothekar brach ohne ein weiteres Wort zusammen.
    »Nickamedes? Nickamedes!«
    Ich stürzte vorwärts und fiel neben dem kranken Bibliothekar auf die Knie.
    »Nickamedes? Was ist? Geht es Ihnen gut?«
    Mein Blick fiel auf eine Plastikflasche, die unter den Schalter gerollt war – die Wasserflasche, die ich dem Bibliothekar aus der Hand geschlagen hatte, während ich Jason gejagt hatte. Die Flasche war jetzt leer, und unter dem Tresen befand sich eine Pfütze. Ein schrecklicher Verdacht stieg in mir auf, und ich wandte mich wieder Nickamedes zu.
    »Das Wasser.« Ich beugte mich vor und rüttelte an seiner Schulter, um ihn dazu zu bringen, mit mir zu reden. »Haben Sie etwas von dem Wasser getrunken?«
    »Ich habe nur … einen Schluck genommen …«, murmelte er, dann fiel sein Kopf zur Seite.
    Vergiftet – Nickamedes war vergiftet worden.
    Er musste von dem vergifteten Wasser getrunken haben, als ich aus dem ersten Stock nach unten und durch die Regalreihen gerannt war. Ich hatte mich so vollkommen darauf konzentriert, Jason aufzuhalten, dass mir nie der Gedanke gekommen war, jemand anderes – Nickamedes – könnte das vergiftete Wasser trinken, das doch für mich bestimmt gewesen war.
    Für einen Moment konnte ich nicht denken. Ich empfand nichts als Entsetzen – und Angst. Dann war der Moment vorbei, die Rädchen in meinem Hirn fingen wieder an, sich zu drehen, und ich konnte nur an das Schreckliche denken, das geschehen war – meinetwegen.
    »Metis!«, schrie ich. »Jemand muss Metis holen!«
    »Gwen?«, fragte Oliver und spähte über den Tresen. Er hatte immer noch Nyx im Arm. »Was ist los?«
    »Nickamedes hat das vergiftete Wasser getrunken. Hol Metis! Sofort!«
    Oliver riss die Augen auf und eilte davon. Ich konnte nichts anderes tun, als mich wieder über Nickamedes zu beugen.
    Der Bibliothekar sah mich an. »Nicht … deine Schuld …«, keuchte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht sprechen. Schonen Sie Ihre Kräfte. Metis wird jede Sekunde hier sein, und dann werden Sie geheilt.«
    Nickamedes schenkte mir ein schwaches Lächeln. »Nicht viel … was sie gegen Gift … tun kann …«
    Ich biss mir auf die Lippen, um mich vom Schreien abzuhalten. Stattdessen zwang ich mich dazu, dort zu kauern und mit Nickamedes zu reden, ihm zu erzählen, wie froh er sein sollte, dass ich den Schnitter diesmal nur durch die Bibliothek gejagt hatte, statt einige der Regale umzuwerfen, wie ich es früher schon getan hatte. Der Bibliothekar starrte mich an, aber seine Augen schienen mit jeder Sekunde blasser und blasser zu werden. Ich hatte keine Ahnung, ob er mich hörte oder nicht, aber ich hielt mein ständiges Geplapper aufrecht.
    Stoff raschelte, und ich wandte den Blick gerade lang genug von Nickamedes’ Gesicht ab, um zu sehen, wie Trainer Ajax Aiko und den anderen Protektoratswachen befahl, einen Halbkreis um den Ausleihtresen zu bilden und die Waffen zu ziehen, als würden gleich weitere Schnitter die Bibliothek stürmen. Doch das würden sie nicht – für heute hatten die Schnitter schon allen Schaden angerichtet. Ein bitteres Lachen stieg mir wie Säure in die Kehle, doch es gelang mir, es zu unterdrücken.
    Ich habe keine Ahnung, wie lang ich dort kauerte und mit sinnlosen Worten auf Nickamedes einredete, aber schließlich – endlich – hörte ich Schritte über den Boden eilen. Eine Sekunde später war Metis da, begleitet von Daphne, Carson und Alexei. Metis fiel auf Nickamedes’ anderer Seite auf die Knie und nahm seine Hand in ihre. Eine Sekunde später umhüllte ein goldenes Leuchten beide Professoren, weil Metis ihre Heilmagie in den kranken Bibliothekar schickte.
    Daphne legte mir die Hände auf die Schulter und zog mich auf die Beine und aus dem Weg.
    »Komm, Gwen«, sagte sie. »Lass Metis ihr Ding durchziehen.«
    Daphne ließ eine Hand auf meiner Schulter liegen, und zusammen beobachteten wir, wie Metis sich um Nickamedes kümmerte. Der Bibliothekar hatte keine sichtbaren Verletzungen, also konnte ich nicht sehen, wie Wunden sich schlossen und einfach verschwanden, wie es der Fall war, wenn Metis Kratzer und Schnitte heilte. Heute war nur das goldene Leuchten sichtbar, das von Metis zu Nickamedes und zurück floss.
    Minuten vergingen. Niemand bewegte sich. Niemand sagte etwas. Schließlich senkte Metis die Hand, und das goldene

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